Ein Messer, eine Garnitur Kleidung am Körper, sieben Kamera-Akkus, eine Überzeugung! Bernd Pfleger hat das gemacht, wovon viele Menschen entweder träumen oder nie zu träumen wagen würden. Er war nur mit einem Messer ausgestattet einen Monat in der ostslowakischen Wildnis im Poloniny Nationalpark unterwegs. Vergangene Woche besuchte ich seine Live-Reportage im Festsaal der Alpenverein-Sektion Edelweiss in Wien. Zwei Stunden absolute Spannung.

Just with a knife.

Bernd war mir schon im Vorfeld des Vortrages bekannt. Beim Alles Leinwand-Festival im Alten AKH waren wir meist als Aussteller vertreten, so war mir seine wilde Tour in den slowakischen Waldkarpaten auch schon vorher bekannt. Mehr aber nicht, ich war komplett ahnungslos, was mich beim Vortrag erwarten würde. Der gelernte Biologe steht vor unseren Sitzreihen mit jener Ausrüstung, mit welcher er einen Monat im Poloniny Nationalpark verbracht hatte. War ja nicht viel: seine Kleidung und ein Messer.
Die Tour beginnt ja noch relativ romantisch. Er verlässt seine warme Unterkunft in einem slowakischen Dorf und wandert tief in den Nationalpark hinein, sucht sich einen geeigneten Standplatz für seine zukünftige Behausung und beginnt mit dem Bau jener. Sein Handy hat er nicht dabei. Spannend! Wie ein Pfadfinderausflug, eine Tour, die wir naturverbundenen Menschen gerne machen würden. Jedoch nur der erste Tag. Bernd berichtet von seiner ersten Nacht, führt am Tisch liegend vor uns vor, wie er sich in sein Shelter hineinzwängte und wie er dabei versuchte Kälte und Nässe aus seinem Körper zu treiben. Spätestens nach der ersten Nacht wissen alle im Vortragssaal: Das ist kein Pfadfinderausflug, das ist pures Überleben.

Mein Unterschlupf im Rohzustand.

Bernd führt Tagebuch, hat einen Stift und ein kleines Buch mit, in welches er seine Erfahrungen notiert, oft mit einem ironischen Touch. So wie auch der Vortrag im Gesamten immer wieder zum Lachen anregt, den Humor hat er bei seiner Tour nicht verloren, im Gegensatz zum Körpergewicht. Dazu aber später mehr. Immer wieder lest er Abschnitte aus dem Tagebuch vor, emotionale Sequenzen hält er auch auf Video fest, welche im Lichtbildvortrag eingespielt werden. Zwei Probetouren absolvierte er im Vorfeld im Wienerwald, beide musste er nach kurzer Zeit aus verschiedenen Gründen abbrechen. Bernd erzählt äußerst spannend und aus vollstem Herzen, was es heißt zu hungern. Nichts zu haben, stundenlang Laub zu sammeln, damit die Behausung einigermaßen dicht und wärmeisolierend wirkt, Insekten und Würmer zu schmecken, auszuspucken oder zu essen, Kälte bis zur Gefriergrenze ohne Schutzkleidung zu ertragen und seine Schuhbänder zu opfern, um nach stundenlanger Arbeit mit Blasen an den Händen endlich Feuer gemacht zu haben.

Mahlzeit.

Immer wieder schüttelt man den Kopf, ungläubig blickt man gespannt auf die Fotos und lauscht seinen Ausführungen, die für uns so fern erscheinen, für ihn aber wochenlanger Alltag waren. Es ist wahrlich unglaublich, dass sich jener Mensch dieses Unterfangen freiwillig aufgetragen hat. Aber er macht dies nicht aus Jux und Tollerei, nicht um jemanden etwas zu beweisen oder zu zeigen, wie man in der Wildnis überleben kann. Es geht ihm um die Natur, um die letzten unberührten Wildnisgebiete in Europa, welche jetzt schon nicht mehr breit gesät sind und immer mehr von der Bildfläche zu verschwinden scheinen. Unfassbar, dass er bei einem seiner Streifzüge rund um seine Unterkunft eine Baumfälltruppe im Nationalpark trifft. Sie legen Hand an Bäume, die in einem Wildnisgebiet stehen und für den Verkauf gefällt werden. Noch unfassbarer, dass dieses Holz aus dem Poloniny Nationalpark nach Österreich geliefert wird und in diesem Fall von einem heimischen und bekannten Unternehmen (welches ich hier nicht erwähnen möchte) weiterverarbeitet wird.

Einzigartige Urwälder.

Into the Wild.

Ich hoffe, er ist mir nicht böse, wenn ich verrate, dass er dieses Unterfangen überlebt hat. Bernd zeigt uns in zwei Stunden, wie er 28 Tage in der Wildnis überleben konnte und entführt uns in seine Gefühlswelt. Man ist berührt von seinen Ausführungen, Gänsehautfeeling stellt sich ein, wenn er von den ersten Sonnenstrahlen nach einem 36-stündigen Aufenthalt im dunklen Shelter erzählt. Amüsiert, aber auch nachdenklich sitzt man im Stuhl, wenn er voller Freude von den gefundenen Darmausscheidungen eines Wolfes berichtet, beeindruckt folgt man seiner äußerlichen Veränderung und lauscht seiner Sprache, welche sich von Tag 1 bis hin zu Tag 28 merklich verändert haben. Zum Schluss darf man noch raten, wie hoch sein Verlust an Körpergewicht war.
Bernd war 28 Tage alleine im Wildnisgebiet unterwegs und hat überlebt. Dank Menschen wie ihm, die nicht alltägliche Dinge unternehmen und auf diese Weise Missstände darlegen, haben die europäischen Wildnisgebiete eine Überlebenshoffnung. Danke!

Es wird eng…

 Weitere Infos

Ein Buch zu Bernds Überlebenskampf ist in Bearbeitung kann direkt auf seiner Webseite vorbestellt werden: https://www.experience-wilderness.com/

Weitere Vortragstermine von „In der Wildnis – Ein Monat überleben, nur mit einem Messer“:
Donnerstag, 04.05.2017, 19:30, Kurhaus Bad Gleichenberg
Wer kann, sollte sich diesen Vortrag nicht entgehen lassen!

Der WWF hat sich dem Thema der Wildnisgebiete angenommen und die Wildnispotenziale für Österreich festgestellt. Weitere Informationen dazu auf der Webseite des WWF: http://www.wwf.at/de/wildnis-in-oesterreich/

Etwas gezeichnet in der Slowakei.

Alle Fotos und Bildtexte, mit Ausnahme des Vortragsfotos, mit freundlicher Genehmigung von Bernd Pfleger, Copyright Bernd Pfleger.

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6 Kommentare

  1. Leider hab ich den Vortrag nicht gesehen, aber eigentlich ist fraglich, ob er überhaupt „über-lebt“ hat. Sind doch die 28 Tage nur ein selbstgesteckter Zeitraum. Bei zwei, drei Monaten sieht die Sache schon ganz anders aus. Hier ist die Jagd nach Wild, Fischfang oder Anbau von Gemüse dann unerlässlich.
    Neben vielen Film(ch)en auf youtube ist mir einer besonders in Erinnerung.“300 Tage ausgesetzt auf einer Insel“, ein Experiment eines Franzosen, der sich ebenso bewusst auf einen Überlebenskampf eingelassen hat und mit ganz wenigen Utensilien ein einsames Leben für einen Zeitraum von 10 Monaten dokumentiert hat.
    Zuerst dachte ich, hey voll interessant was Bernd hier durchzieht, aber wenn man sieht wie schnell der Körper abbaut und er sich gesundheitlich schadet, kann man nur von einer Nachahmung warnen. Wenn der Körper derart geschwächt ist ( und damit auch das Immunsystem), ist die Gefahr zu erkranken ausserordentlich groß.
    Aber als Abenteurer, Weitwanderer interessiert mich der Überlebenskampf in der Natur ungemein und in weniger radikaler Art, möchte ich auch mal eine Zeit lang in der „Wildnis“ leben. Den Termin in Bad Gleichenberg hab ich jedenfalls notiert. Wünsche allen Lesern viele Schritte im neuen Jahr

    • Solltest du es nach Bad Gleichenberg schaffen, wirst du auch erfahren, was seine Meinung zu diesen vier Wochen Ausgesetztheit ist. Außerdem betont er, dass dies nicht nachzumachen sei, aus vielerlei Gründen.

  2. Der Typ ist sichtlich zu einem Gerippe abgemagert.
    Also hat er den „Beweis“ erbracht, dass sich in (halbwegs) heimischen Gefilden ohne Schusswaffen eben doch kein Leben draußen in der Natur möglich ist, allenfalls ein Überleben durch Hungern.
    Von Insekten und Pflanzen kann man sich nun mal nicht ernähren, langt gerade so für den Vitamin- und Mineralstoffbedarf.
    Wirklich wichtig ist eh nur Wärme, dann Trockenheit, und das in Kombination mit genügend Flüssigkeit. Dann kann es eigentlich jeder 4-6 Wochen aushalten (soviel Fettreserven hat jeder erwachsene und bislang normalernährte Mensch) wenn man die Psyche einmal außer Acht lässt.

    • Stimmt, es ging ihm ja auch ums Überleben und nicht sich einen längeren Standort aufzubauen. Denn dann muss gejagt werden.
      In diesem Fall reichten Fettreserven und Muskelmasse zum Überleben aus. Wenn man noch länger in so einem Zustand lebt, holt sich der Körper irgendwann die Energie aus den Knochen und dann wird’s erst so richtig brandgefährlich.

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