Anfang der 2000er-Jahre wurde in einer Presseaussendung der Stadt Wien die Broschüre „Wanderbares Wien“ angepriesen, in welcher u.a. die beiden neuen „Kreuz und Quer -Wanderwege“ aufschienen. Heute weiß die Stadt Wien nichts mehr von diesen beiden Wegen. Gemeint sind die Wege West-Ost und Nord-Süd. Jedoch: Seit Oktober 2021 gibt es einen beschilderten und offiziellen Stadtwanderweg 12, der sich im Süden der Stadt befindet. Dieser nachfolgende Artikel behandelt jedoch den alten Stadtwanderweg 12, der aber nie beschildert war.
In meinem Wander- und Weitwanderfundus, alias Hausbibliothek, findet sich eine Broschüre aus dem Jahre „keine Ahnung“, zwischen 2005 und wahrscheinlich 2010, in welcher alle Stadtwanderwege, der rundumadum-Weg, die beiden verloren gegangenen Rund um Wien-Wege und die beiden Querwege kurz beschrieben und eingezeichnet sind.
Schon vor einigen Monaten habe ich mit Peter von Ich, am Weg über diese beiden Wege gesprochen und am 10. April war es dann mit der Erkundungstour des West-Ost-Weges soweit. Und Peter hat auch schon einen Bericht veröffentlicht.
Tourdaten: alter Stadtwanderweg 12 in Wien
Anreise: 35A Salmannsdorf, fährt weg von U4/U6/S-Bahn Spittelau
Weglänge: 25 Kilometer
Höhenmeter: heiße 170 m
Charakteristik: einfache Wanderung oder längerer Spaziergang, sehr abwechslungsreich zwischen Salmannsdorf und Kaisermühlen, da viele Facetten von Wien be- und erwandert werden, teils sehr naturnah, zwischen Mühlwasser und Eßling jedoch etwas trist und kaum Abwechslung bzw. in meinen Augen sogar teilweise morbide
Markierungen: keine
Wanderkarten: großräumiger Stadtplan oder Taschenatlas
Zum Bericht von Peter geht’s hier!
alter Stadtwanderweg 12, West-Ost: Die Route
Punkt 9 Uhr, zum Startschuss des Marathons, treffen wir uns in Spittelau und lassen uns mit dem Bus 35A zur Endhaltestelle in Salmannsdorf chauffieren. Hier beginnt der 12er-Weg, der West-Ost-Stadtwanderweg, der eigentlich nie einer war und auch keiner mehr ist. Jedenfalls eine Markierung gab es nie, auch zu seiner Blütezeit nicht.
In Salmannsdorf ist eine Familie aber besonders fleißig und verewigt ihre Tätigkeiten von früheren Generationen in ihrem Familiennamen, am Bild oberhalb leicht verschwommen zu sehen: die Heurigenschank Friseurmüller. Sollte daraus mal eine Anwaltskanzlei werden, empfehle ich Friseurmüllerheuriger & Co.
Der Wetterbericht meinte es nicht gut mit uns, das Wetter dann aber schon. Blauer Himmel über der Agnesgasse.
Zwischen Salmannsdorf und Sievering gilt es den Reißerkreuzpass zu überschreiten, die wohl mörderischste Steigung zwischen West und Ost. Salmannsdorf und Sievering gelten als gemütliche Weinorte, selbst dann wenn wir zwei wilde Hunde durchmarschieren.
Gans im Denkmalglück, heißt es dann in Sievering. Die kleine Lilli gilt laut Stadtbroschüre als einziges Denkmal für eine Gans weltweit.
Die Besonderheiten des 12er-Weges liegen am Wegesrand, dann wenn die Augen nach links und rechts schwenken und sich Merkmale in den Vordergrund drängen, die ohne diese Aufmerksamkeitsgabe kaum beachtet würden.
Wir spazieren an der S-Bahn-Station Oberdöbling vorbei und landen bald in der Nußwaldgasse, welche mir persönlich am schönsten dieser Tour gefallen hat, denn in dieser hatte man irgendwie das Gefühl, dass Wien ganz weit weg ist. Also, ach, nicht falsch verstehen. Aber vor allem die obere Nußwaldgasse versprühte einen ganz eigenen Charme.
Vor dem Wertheimsteinpark (beinahe ein Zungenbrecher) befindet sich das Bezirksmuseum Döbling. Es hat meiner Erinnerung nach nur zwei Stunden pro Woche geöffnet, daher ist wahrscheinlich auch das Verweilen im Hof verboten, damit die Menschen den Weg zum Bezirksmuseum finden und sich nicht durch die Menschenmassen kämpfen müssen.
Der Wertheimsteinpark ist die natürlichste Überraschung für mich. Kannte ich nicht, hatte nie davon gehört, doch aber hallo, ein nettes Platzerl wurde hier gestaltet.
Nach dem grünen Genuss im Wertheimsteinpark wird’s wieder urbaner. Step by step über Steg und Steg. Franz Ippisch gilt als Namensgeber für den ersten Steg und der Bezirk Döbling für den zweiten.
In keiner Bezirkschronik von Brigittenau wird die geplante weltgrößte Stufenpyramide erwähnt, daher werde ich etwas näher darauf eingehen. Unbekannte Architekten hatten im 20. Bezirk die wahnwitzige Idee, eine neuartige Form einer Stufenpyramide entstehen zu lassen. Sie sollte die weltgrößte Pyramide sein, die die Menschheitsgeschichte jemals zu Gesicht bekommen hat. Jedenfalls wurde mit dem Bau begonnen, bis der Spritzwein nicht mehr den Weg über den Donaukanal fand und man sich im nüchternen Geisteszustand über die Sinnlosigkeit dieses Bauwerkes klar wurde. Aus dem schon bestehenden Komplex wurde der Campus Brigittenau geformt.
Nach einem kurzen Intermezzo am Donaukanal, wandern Peter und ich an der Brigittakapelle vorbei zum Friedrich-Engels-Platz, steigen in den Untergrund und übersetzen auf der Floridsdorfer Brücke zur Donauinsel. Übrigens, ohne Eigenwerbung zu betreiben, ist, ab der Brigittakapelle, dies die Anfangsstrecke meines grenzgenialen Weitwanderbuches WIEN GEHT WEIT.
Vorsicht gilt es auf der Donauinsel walten zu lassen, vor allem auf der Seite der Neuen Donau zwischen der U6-Brücke und Brigittenauer Brücke. Blöd, dass wir an diesem Tage die Moskito-Ausrüstung zuhause gelassen haben, denn diese hätten wir bei der Mücken-Invasion gut gebrauchen können. Jedenfalls genug Material für einen Horror-Trash-Movie.
Nachdem wir unsere Bauchred-Künste trainiert hatten, keine Mücke fand bei unseren Gesprächen einen Weg in den Mund, bewegen wir uns flussabwärts zur Ponte Cagrana und spazieren in Richtung Donau City.
Unter der vom Marathon noch schweißtriefenden Reichsbrücke spazieren wir hindurch und bald zweigen wir von der Neuen Donau ab und wandeln auf Spuren von Koziber, Schimek & Co. Lange habe ich keine Folge mehr von Ernst Hinterbergers Kaisermühlen Blues gesehen, doch der Innenhof kommt mir noch immer sehr bekannt vor.
Für uns geht es dann mit ziemlicher Sicherheit in Österreich wieder ins Grüne und ins Gemüse. Vorbei an der U2 Station Donaustadtbrücke ist das Mühlwasser bald erreicht und wird an der Kanalstraße überquert.
Wir spazieren durch die Asperner Peripherie. Wo ist Wien noch einmal? Die Gebäude sind niedriger, die Straßen dafür irgendwie umso lauter und dass Fußgänger in Aspern unerwünscht sind, lässt sich an den minutenlangen Rot-Phasen der Ampeln feststellen. Dem Löwen von Aspern macht das aber alles gar nichts aus.
Zum Glück verläuft der Stadtwanderweg 12 wieder von der Hauptstraße weg, in ruhigere Gefilde, was mir sofort auffällt und ich bemerkenswerter Weise auch sehr bemerkenswert finde.
Aber bald hat uns die Hauptstraße wieder. Rein nach Eßling (oder Essling, hier scheiden sich die Geister) und den letzten Hot-Spots dieser Tour folgen. Aber irgendwie finden wir die Schloßpromenade und den Schüttkasten nicht, als Abschlusspunkt dieser Tour. Wir folgen aber auch nur sturheil der Straße, bis der gpx-Track endet. Und dieser endet an dieser wundervollen Straßenkreuzung zwischen Irgendwo und Nirgendwo. Aber jedenfalls an der Bushaltestelle 26A, an welcher der Bus auch gerade einfährt und wir ohne zu zögern wieder den Weg in unsere Heimathäfen suchen.
2 Kommentare
Hallo Martin,
als jemand der schon alle zur Zeit offiziellen Wiener Wanderwege intus hat, möchte ich natürlich auch den von Euch neuentdeckten Weg nachgehen.
Ich glaub mit Eurer Übersichtskarte gelingt mir dies auch so (gpx verweigere ich noch immer). Die in deinem Besitz befindliche Broschüre hat mich jedoch sehr neugierig gemacht. Glaubst du es gibt eine Chance einen Scan oder ein Foto davon zu bekommen?
Danke
so lange Gehlebt, der der Vergessen Wege,
Weitwandern Österreich geht, davon Berichtet, werden die Wege
weiter leben (bestehen).
Denn um zu Gehen braucht es nur 2 Füsse.
Alles ein Kopfsache, mit laufen Müssen oder eigene (Weitwanderwege)
gehen.
Grüsse vom 444
Erich M.