„Hintergebirge wird zum Symbol der ÖKO-Revolte!„, stand 1984 als Überschrift in einer Ausgabe der Kronen Zeitung. Ein halbes Jahr vor der Aubesetzung in Hainburg, versammelten sich „langhaarige Linke, Bauern, Hausfrauen“ und viele weitere Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten im Reichraminger Hintergebirge und „besetzten“ das Gebiet im Großen Bach. Nach drei Jahren intensiver Überzeugungsarbeit hatte es die ARGE Hintergebirge geschafft und das geplante Speicherkraftwerk der Ennskraftwerke AG abgewendet. Es war dies die Vorreiterbewegung zur Bildung des Nationalparks Kalkalpen am 21. Juli 1997.
Inhalt
> Nichts berührt uns wie das Unberührte – Nationalpark Kalkalpen
> Bildung und Schutz im Nationalpark Kalkalpen
> Naturnahe Buchenwälder: Bald ein Weltnaturerbe?
> National Park Lodge Villa Sonnwend
> Basisinformation Nationalpark Kalkalpen
> Literatur und Karten Nationalpark Kalkalpen
Nichts berührt uns wie das Unberührte – Nationalpark Kalkalpen
So der Titel der aktuellen Kampagne des Dachverbands Nationalparks Austria und dieser bringt es treffend auf den Punkt. Das Unberührte, das Wilde, das vielleicht sogar Unzugängliche, das Geschützte, das womöglich Unbekannte, das Besondere. Das spricht für die Nationalparks in Österreich. Abseits der Höher-Weiter-Schneller-Schreier, stehen die österreichischen Nationalparks für eine Natur, die unberührt von Menschenhand in ihre Natürlichkeit zurückfindet. Keine Action-Rollbahn, keine Aussichtsplattform, keine touristischen Lockmittel, bloß ein umgestürzter Baum im Wald – einfach formuliert.
Hinter einem quer liegenden und langsam verrottendem Stamm im Wald steckt viel mehr Leben, als sich der Mensch vielleicht vorstellen möge. Keine Seltenheit sind umgestürzte Bäume im Nationalpark Kalkalpen, Totholz im Allgemeinen genannt. Bei einer Waldgröße von ca. 17.000 Hektar, entspricht 81% der gesamten Nationalparkfläche, gilt das Totholz als ein Bestandteil für eine auflebende und große Artenvielfalt. In Zahlen: 1.500 unterschiedliche Schmetterlingsarten, über 1.000 verschiedene Blütenpflanzen, 42 dokumentierte Wild-Orchideen und vieles mehr.
Der Nationalpark Kalkalpen, Schutzgebiet nach IUCN Kategorie II, sorgt für eine erhöhte Biodiversität und einen verstärkten Schutz für Flora und Fauna. Davon überzeugt sich auch der wohl bekannteste Bewohner des Nationalparks: der Luchs. Aktuell befinden sich fünf identifizierbare Luchse im Nationalpark, für eine Sensation sorgte im Mai 2012 der erste nachgewiesene Luchsnachwuchs seit 150 Jahren. Dass der scheue Luchs jedoch auch auf der Abschlussliste mancher Wilderer steht, Jäger sind das in meinen Augen keine mehr, musste in der Vergangenheit schmerzlich festgestellt werden.
Bildung und Schutz im Nationalpark Kalkalpen
Am oberen Ende des Holzgrabens ist vor einigen Jahren das Wildniscamp errichtet worden. Hier werden mehrtägige Workshops für Kinder und Erwachsene, die sich noch als Kind fühlen, abgehalten. Gemeinsam mit Nationalpark-Rangern erkundet man die Natur, bereinigt Vorurteile gegenüber Pflanzen und Tieren und schafft Bewusstsein gegenüber der Natur und erfährt Wissenswertes über die Arbeit eines Nationalparks.
Der Vorteil des Nationalparks Kalkalpen bei der Gründung war der überdurchschnittlich hohe naturnahe Waldanteil, großteils im Besitz der Österreichischen Bundesforste. Dennoch ist die aufgeforstete Fichte die Hauptbaumart im Nationalpark, auch wenn in den letzten Jahren und Jahrzehnten der Anteil langsam schrumpfte. Sei es durch menschliche Eingriffe der Bundesforste oder durch natürliche Prozesse. Und bei den natürlichen Prozessen hat der Nationalpark seine Finger im Spiel: nämlich (fast) gar keine. Der Nationalpark ist in erster Linie nicht dazu da, bestimmte Pflanzen oder Tiere zu schützen, auch wenn der Auftrag des Erhaltungszustands geschützter Tierarten besteht, sondern um natürliche Prozesse zu schützen und die äußerlichen Einflüsse zu minimieren. Die Natur kann sich selbst regeln. Sie ist nicht auf den Menschen angewiesen. Umgekehrt jedoch schon. Das vergisst der Mensch nur leider allzu oft.
Naturnahe Buchenwälder: Bald ein Weltnaturerbe?
Auch wenn die Fichte die Hauptbaumart im Nationalpark darstellt, sind es die naturhahen Buchenwälder, welche die Region und den Waldbestand besonders auszeichnen. Damit dieser Umstand in Zukunft intensiver behandelt und geschützt werden kann, liegt bei der UNESCO ein Antrag zur Kennzeichnung als Weltnaturerbe vor. Ob sich der Nationalpark Kalkalpen als erstes österreichisches Weltnaturerbe rühmen kann, nicht zu verwechseln mit Weltkulturerben wie z.B. die Wachau, wird wohl im Sommer 2017 feststehen. Zu wünschen wäre es – vor allem zum 20-jährigen Geburtstag.
National Park Lodge Villa Sonnwend
Modellflieger kreisen über das Nachbargelände, ein seltener weißer Esel verschafft sich lautstark Gehör, das Warscheneck im Angesicht. Der Nationalpark Kalkalpen ist als einziger Nationalpark in Österreich im Besitz eines eigenen Hotels: Villa Sonnwand National Park Lodge. Etwas abseits von Windischgarsten gelegen, liegt die Villa idyllisch am Ende einer Zufahrtsstraße. Hier kommt niemand zufällig vorbei, Ruhe und Stille sind also beim Besuch inkludiert. Die Villa Sonnwend ist nicht nur bei SeminarteilnehmerInnen beliebt und geschätzt, auch Familien und EinzelurlauberInnen sind herzlich willkommen und können sich aktiv zu Fuß, auf dem Rad oder im Winter mit den Langlaufskiern in den direkt angrenzenden Nationalpark aufmachen. Verschiedenste Pauschalen in Kombination mit geführten Nationalparktouren befinden sich ebenso im Angebot, wie eine reiche Auswahl an Aktiv-Literatur für die Individualisten.
Basisinformationen zum Nationalpark Kalkalpen
Offizielle Homepage Nationalpark Kalkalpen: http://www.kalkalpen.at/
Gebiet: Sengsengebirge und Reichraminger Hintergebirge, im Westen grenzt das Gebiet an die Steyr, im Süden zieht der Hengstpass die Grenze, die Ostgrenze verläuft nahe dem Reichramingbach und im Norden begrenzen die Parkplätze Hofing, Scheiblingau und Anzenbach den Nationalpark.
Seehöhe: 385 bis 1.963 Meter
Größe: 20.850 Hektar, davon ca. 81% Wald, 8% Latschen, 6% Wiesen und Almen, 5% Fels
Schutzgebiet: IUCN Kategorie II, Natura 2000-Schutzgebiet, Ramsar-Schutzgebiet
Wandern und Weitwandern: Einige markierte Wanderwege mit unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden durchziehen den Nationalpark Kalkalpen. Weitere Informationen erhält man an den Nationalpark Besuchereinrichtungen oder in einschlägigen Wanderbüchern.
Für Weitwandersmenschen interessant ist der Kalkalpenweg sowie der relativ neue NaturWaldWeg, welcher den Nationalpark Kalkalpen, Nationalpark Gesäuse und Wildnisgebiet Dürrenstein miteinander verbindet.
Literatur und Karten Nationalpark Kalkalpen
Wandern, Mountainbiken, Skitouren
> WildnisWandern im Nationalpark Kalkalpen, 2013, Trauner Verlag, ISBN-13: 9783990331729
> Wandererlebnis Kalkalpen, 2012, Kral Verlag, ISBN-13: 9783990240663
> Der Nationalpark Kalkalpen Weitwanderweg, 2009, Ennsthaler, ISBN-13: 9783850688260
> Reichraminger Hintergebirge, 1996, Ennsthaler, ISBN-13: 9783850681711
> Rad-Erlebnis Eisenwurzen – Die schönsten Mountainbiketouren, 2015, Kral Verlag, ISBN-13: 9783990243206
> Skitourenführer Obersteiermark, 2014, Rother, ISBN-13: 9783763359295
Wander- und Freizeitkarten
> freytag & berndt WK 051 (Ostteil Nationalpark) 1:50.000
> freytag & berndt WK 081 (Westteil Nationalpark) 1:50.000
> Kompass WK 70 (ganzer Nationalpark) 1:50.000
> Carto.at Nationalpark Kalkalpen 1:70.000
> Weitwanderkarte NaturWaldWeg 1:70.000
Zusatzliteratur
> Österreichs Nationalparks, 2013, Falter Verlag, ISBN-13: 9783854394976
> Nationalpark Kalkalpen, 2015, Kehrwasser, ISBN-13: 9783902786326
> blick.dicht – Kuriositäten und Schönheiten aus den sechs österreichischen Nationalpark, 2014, Kremayr & Scheriau, ISBN-13: 9783218009409
> Nationalpark Schriftenreihe (verschiedene Bände)
Diese Tour erfolgte auf Einladung von Nationalparks Austria. Da ich ein ehrlicher Zeitgenosse bin, ändert dieser Umstand nichts an meiner Kritikfähigkeit.
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