Wer Rechte erwerben und vor Gericht einklagen kann, wird als Rechtsperson bezeichnet. Grundsätzlich können Rechtspersonen nur “natürliche Personen” (Menschen) oder “juristische Personen” (z.B. Verein, GmbH, etc.) sein. Seit Herbst 2022 ist die spanische Salzwasserlagune “Mar Menor” nicht nur weiterhin ein Öko-System, sondern auch eine Rechtsperson. Dies eröffnet besondere juristische Möglichkeiten für den Natur-, Umwelt- und Klimaschutz.

170 Quadratkilometer ist sie groß und somit Europas größte Salzwasserlagune. Das “Kleine Meer” bei Murcia im Südosten Spaniens war früher Heimat von Seepferdchen, ehe jahrzehntelang Abwässer aus der intensiven Landwirtschaft und massenhafte Ansiedlungen das Öko-System vernichteten. Immer wieder erstickten etliche Tonnen Fisch am Ufer, weil dem Lagunenwasser der Sauerstoff ausging. Das Gesetz mit der Nummer “19/2022” definierte nun erstmals in der spanischen sowie in der europäischen Rechtsprechung ein Öko-System als Rechtsperson. “Mar Menor” hat seither die gleichen Rechte wie Menschen oder Unternehmen, und kann nun jene verklagen, die das Öko-System verschmutzen. Ein Meilenstein für die europäische Naturschutzbewegung!

Recht hast!

Eine Salzwasserlagune als Rechtsperson ist zwar neu, die Idee dahinter nicht unbedingt. Erstmals wurde im Jahr 1972 die Idee geboren, Naturräumen besondere Rechte zu übertragen. In den Bergen Kaliforniens plante der Wald Disney-Konzern ein neues Ski-Resort. Dem Umweltrechtler Christopher Stone fehlte jedoch die Sicht des Betroffenen: der Natur. Er schlug vor, dem betroffenen Tal Rechte und somit eine Möglichkeit zur Gegenwehr zu geben. Seither werden selten, aber doch, Öko-Systeme bzw. die Natur als Rechtsperson in Rechtsbücher eingetragen. 2008 wirkten indigene AktivistInnen in Ecuador auf die Verfassung ein. Seither ist “Pachamama” (Mutter Natur) mit besonderen Rechten ausgestattet. Neuseeland erklärte bereits einen Nationalpark, einen Berg und einen Fluss als Rechtsperson. 

Alles Rechtens?

Wie kann ein Fluss, ein Berg oder eine Salzwasserlagune für sich sprechen? Hier braucht es doch wieder treuhänderisch Menschen, und zwar jene, die sich für den Schutz der Natur einsetzen. Dies können wie in Ecuador Einzelpersonen, Organisationen oder Personengruppen sein. In Neuseeland wurden für den geschützten Fluss “Whanganui” Vormünder, ein Mitglied der Regierung und ein Mitglied der indigenen Maori, ernannt. Bei den international genannten “Rights of Nature” geht es nicht nur um ein paar Paragrafen. UmweltschützerInnen sehen darin eine sanfte Verschiebung des Weltverständnisses, nämlich die Beziehung zwischen Menschen und Natur. Ein Verständnis davon, ohne Dominanz und Ausbeutung zusammen zu leben.

Recht auf Natur in Österreich?

Im benachbarten Bayern möchte eine BürgerInnen-Initiative das Recht der Natur mittels Referendums in die Verfassung heben. Ähnliches hat eine Initiative von Schweizer Nationalräten unterschiedlicher Parteien vor. Beide Initiativen laufen noch. In Österreich sind zum aktuellen Zeitpunkt keine Verfahren bekannt, was nicht heißt, dass es nicht in Zukunft Bestrebungen geben wird. Das Institut für Umweltrecht der JKU Linz hat die “Eigenrechtsfähigkeit der Natur” ausgearbeitet und hat sich Schwachstellen und Möglichkeiten angesehen. Am Ludwig-Boltzmann-Institut für Grund- und Menschenrechte startete heuer ein Forschungsprojekt, das völkerrechtliche bzw. insbesondere menschenrechtliche Fragestellungen bei einem “Recht der Natur” im Detail beleuchten wird.

Fruchtbare Böden, das Vorhandensein von sauberem Wasser, lebenswerte Räume für Tiere und Pflanzen, Bestäubung von Kulturpflanzen, Schutz vor Bodenerosion und Überschwemmungen: Dies alles sind Serviceleistungen der Natur, die uns im Normalfall kostenlos zur Verfügung stehen und vom Menschen – man muss es so sagen – ausgebeutet werden. Der Schutz der Natur, der Umwelt und des Klimas geht vielen Menschen und Organisationen zu wenig, zu langsam oder gar nicht voran. Der Schutz auf juristischem Wege wird immer öfter probiert – und wird immer öfter vor Gericht anerkannt. Auch Österreich wird sich in Zukunft die Frage stellen müssen, ob die Natur oder gewisse Öko-Systeme eigene Rechtspersonen sein werden bzw. können.

Bild: Mar Menor in Spanien (c) Antonio Lopez/unsplash

Dieser Artikel erschien erstmalig im Magazin weitweg 3/2024 der ÖAV Sektion Weitwanderer.


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