Dem Weitwandern wird gerne nachgesagt, dass es eine Sommer-Angelegenheit sei. Das hat hauptsächlich den Grund, dass viele Weitwanderwege in den Alpen auch nur im Sommer für den normal sterblichen Wandermenschen begehbar sind. Nur die wirklich Verrückten unter der Herbst- und Wintersonne versuchen sich in hochalpinen Gebieten auf einem Weitwanderweg zur kältesten Jahreszeit.
Der Herbst liegt genau zwischen Menschen-Massen und weißer Einsamkeit. Auch wenn meist klassische Hüttentouren, wie z.B. der Stubaier Höhenweg, im Oktober und November nicht mehr ordentlich begehbar sind, sollte man über den Hüttentour-Tellerrand blicken und es lassen sich interessante Mehr-Tages-Touren für den Herbst entdecken. Fürs Weitwandern im Herbst musst du aber einiges beachten!
Weniger Tageslicht
Das unglaubliche Phänomen der Jahreszeiten sorgt dafür, dass es im Herbst stets früher dunkel wird. Die Zeitumstellung Ende Oktober sorgt dann noch einmal für einen ordentlichen Verdunkelungseffekt. Wenn im Sommer um 17 Uhr gerade einmal das erste Bier auf der Sonnenterrasse den Weg in den Rachen findet, wirft man im Spätherbst zu dieser Uhrzeit selbst bei wunderschönsten Tagen keinen Schatten mehr.
Den kürzeren Tageslichtanteil bei Touren im Herbst sollte man in der Tourenplanung berücksichtigen. Kilometerlange Gewalttouren sollten eher vermieden werden, außer man hat die richtige Ausrüstung auf der Stirn oder im Rucksack.
Ausrüstungscheck
Für all jene, welche eiskalte Fingerspitzen und Ohrlapperl nicht so sympathisch finden, sind Haube und Handschuhe nahegelegt. Wer außerdem auf der lichttechnischen sicheren Seite unterwegs sein will, dem sei eine Stirnlampe empfohlen. Selbst wenn das geplante Etappenende noch vor dem Sonnenuntergang erreicht werden soll, es kann immer was dazwischen kommen. Und dass Planung und Ausführung zwei unterschiedliche Paar Wanderschuhe sind, das ist bekannt.
Meide das Hochalpine
Ich möchte diese Aussage nicht generalisieren, denn in einem goldenen Herbst sind auch natürlich noch hochalpine „Hatscher“ möglich. Je fortgeschrittener der Herbst sich einstellt, desto mehr sinkt die Wander-Grenze. Möchtest du wirklich nur Weitwandern, ohne Ski und ohne Schneeschuhe, dann meide spätestens im Spätherbst das hochalpine Gelände. Unter hochalpinem Gelände verstehe ich im Spätherbst auch Höhen von über 2.000m oder je nach Witterung auch Höhen von über 1.500m Seehöhe. Schneegelände, mit Eis überzogenes Gestein und rutschige Platten sorgen für ein überdurchschnittliches Gefährdungspotential.
Wende dich anderen Gebieten zu. Beispielsweise sind Fluss- oder Talwanderungen im Herbst zu empfehlen, Touren in niedrigeren Alpengebieten wie im Wienerwald oder in Voralpengebieten können auf einmal noch interessanter werden oder probiere außeralpine Regionen, wie z.B. die Wachau oder die Süd-Oststeiermark. Werfe dazu einen Blick auf die Übersichtskarte der Weitwanderwege in Österreich.
Verlassene Hütten und Almen
Beim Weitwandern im Herbst ist die Etappenplanung äußerst wichtig, eine Anfrage und Vorreservierung in Unterkünften ist notwendig. Viele Hütten und Almen schließen im Herbst entweder komplett für die nächsten Monate oder legen eine Herbstpause vor der Skisaison ein. Hier schon im Vorhinein über Öffnungszeiten informieren, damit keine unliebsamen Überraschungen auftreten.
Webcams
Ein sehr nützliches Spionage-Utensil für Tourenplanungen sind öffentliche Webcams. Ob es auf der Turracher Höhe stürmt oder ob der erste Schnee am Ötscher gelandet ist, lässt sich auch bequem von zu Hause aus beobachten. Eine umfassende Webcam-Datenbank für Österreich (speziell für Skigebiete) findet sich auf bergfex.at, die Alpen im Gesamten sind auf bergruf.de zu finden.
Kleidung
Zwiebelprinzip? Da fang ich gleich zu heulen an. Mitnichten. Denn im Herbst kann die Temperatur von einem auf den anderen Moment umschlagen, unangenehm kühler oder überraschend wärmer werden. Es ist also sinnvoll, die Bekleidung für den Oberkörper auf mehrere Schichten aufzuteilen und noch immer Luft nach oben zu haben. Meine Herbstkollektion sieht ungefähr so aus: T-Shirt, langärmliges, dünnes Shirt, langärmliges Fleece und meine Schafwolljacke (aber nur wenn es wirklich kalt ist). Damit kann ich meine Ideal-Temperatur besser als bei jeder Dusche einstellen. Eine Regenjacke findet meist einen Platz im Rucksack.
Für die Region „untenrum“ verwende ich einen „Liebestöter“. Die lange Unterhose habe ich je nach Temperatur entweder schon von Haus an oder für den Fall der Fälle mit. Darüber natürlich auch eine Wanderhose, bin ja nicht Robin Hood.
Biwaksack
Ein Biwaksack ist einer dieser Ausrüstungsgegenstände, welchen man zwar mit haben sollte, aber hofft, dass man ihn nie benötigt (wenn es nicht geplant ist). Ich habe auf abgelegenen Weitwandertouren einen Biwaksack dabei, dies mag für manche zwar ein unnötiger Ballast sein, im Ernstfall ist man über diesen Sack jedoch sehr erfreut. Ob ein Biwaksack sinnvoll ist, kann man aufgrund der besuchten Region feststellen. Wandert man in Tälern, trifft man oft auf bewohnte Siedlungen und Dörfer. Wandert man jedoch in großen Waldregionen, kann man die Mitnahme eines Biwaksackes in die Touren-Planung einbeziehen.
Öffentliche Verkehrsmittel
Die öffentlichen Verkehrsmitteln sind die besten An- und Abreisefreunde der Weitwandermenschen. Im Sommer verkehren außerdem in manchen Regionen sogenannte „Wanderbusse“. Mit Herbstbeginn hört sich der Spaß jedoch auf. Während der normale Bus- und Bahn-Verkehr (meist) ungestört in den Herbst übertritt, werden Wanderbusse eingestellt. Diese Tatsache nicht ungeachtet lassen.
Ruhe und Stille
Wem begegnet man bei einer Weitwandertour im Herbst? Weniger Menschen. Für Wander-Insider beginnt im Herbst die Wander-Saison erst so richtig, für die Massen ist jedoch mit dem ersten Laubfall die Saison beendet. So lässt sich auch auf hochfrequentierten Wegen, wie dem Wiener Mariazellerweg, der eine oder andere stille Moment finden.
Stärkung für den Winter
Die letzten vier, fünf Winter überlebte ich ohne Grippe, ohne ausgeprägter Verkühlung oder Erkrankung. Doch diese doktorfreie Zeit erlebe ich erst seit ich erstens auf meine Ernährung achte, zweitens viel gehe und drittens auch bei kälteren Temperaturen wandere. Das Immunsystem wird gestärkt, unliebsame Viren und Bakterien werden dank Lymphozyht-T und -B à la „Es war einmal das Leben“ aus dem Körper gekickt.
Tourenmöglichkeiten
Im Waldviertel findet sich ein 180km langer Weitwanderweg entlang der Thaya, welcher besonders im Herbst landschaftlich sehr abwechslungsreich wirkt.
Der Welterbesteig Wachau ist selbst im Spätherbst noch einfach zu begehen, auch wenn er zugegebenermaßen landschaftlich im Spätsommer wohl am attraktivsten ist.
Oder versuche dich an einer selbstgeplanten Flusswanderung, so wie bei unserer Tour im Steyr- und Ennstal.
Aber wo wandere ich im Herbst herum? Ich bin meist an Seen und Flüssen und im Höhenbereich bis maximal 1.500m unterwegs. Vor allem Flusswanderungen kann ich im Herbst empfehlen. Das kühle Nasse, eine bunte Waldlandschaft, vielleicht noch ein kleines Nebelwölkchen, ein Sonnenstrahl, der sich durch das Weiß kämpft und auf die rot gefärbte Wange trifft.
Weitwandern im Herbst kann’s.
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