Auf der diesjährigen Photo+Adventure in Linz habe ich den Vortrag von Petra Albenberger zu ihrer Begehung des Alpe Adria Trails besucht und neugierig ihren Erzählungen gelauscht. Ich wollte jedoch noch mehr über ihren Weg wissen und habe sie zu ihrem Weitwander-Abenteuer befragt.
gehlebt: Liebe Petra, du hast im Jahr 2013 den Alpe Adria Trail (AAT) in einem Stück absolviert, weil du dich einem drohenden Burnout entziehen wolltest. Was hat dich beinahe zu einem Burnout getrieben und warum hast du dir das Weitwandern und warum den Alpe Adria Trail zur Bewältigung ausgesucht?
Petra: Ich bin in der Altenpflege tätig. Permanenter Personalmangel haben dazu geführt, dass Überstunden in meinem Beruf leider zur Normalität wurden. So arbeitete ich nicht 100 Prozent, sondern 120 Prozent. Ich bin ein sehr korrekter Mensch und versuche, alles was ich mache so gut wie möglich zu erledigen. Das gilt nicht nur für meine Arbeit, sondern auch für mein Privatleben – Haushalt, Familie und für den Sport. Irgendwann fühlte ich mich nicht mehr wohl in meiner Haut: Schlaflose, schweißgebadete Nächte, dauernder Kopfschmerz, auf dem Weg zur Arbeit überkam mich Herzrasen und Übelkeit. Ich wusste, JETZT muss ich etwas tun, ansonsten werde ich krank!! Dabei war ich das vermutlich schon…
In dieser Zeit machte mein langjähriger Lebenspartner mir einen Heiratsantrag und ich durfte mir die Hochzeitsreise aussuchen. Noch am selben Tag las ich über den Alpe Adria Trail in einer Zeitschrift einen Bericht und war sofort hell begeistert. Sport ist mein Lebenselixier und so war es für mich auch kein Problem, mich für einen solchen Weg zu entscheiden. Sofort war für mich klar: Ich brauche eine Auszeit, ich will weg, ich will raus, ich nehme mir Zeit für mich selbst!
gehlebt: Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt die ganze Tour abzubrechen?
Petra: Ja. In Krajnska Gora (ich war da bereits über vier Wochen unterwegs) hatte ich ein ernstes Tief. Ich war psychisch angeschlagen: Das Wetter seit Tagen schlecht, ein Zeltplatz, auf dem es nichts gab, Hunger, Durst und dann auch noch der Verlust meiner Sandalen… Ich rief schluchzend meinen Mann an, dass er mich doch abholen soll – ich kann nicht mehr.
Doch plötzlich stand er vor mir, mein Engel! Ein Wanderer, den ich am Vorabend kennen lernte, fand in den Bergen meine Sandalen, suchte mich den ganzen Tag lang und brachte mir zu später Stunde auf meinen finsteren Zeltplatz noch meine Schuhe nach – einfach so! Was für ein toller Mensch. Das war für mich ein Zeichen! Ich war so von dieser Geste, für die ich mich nicht einmal revanchieren konnte, begeistert, dass ich wieder neuen Mut und Zuversicht fand, weiter zu machen.
gehlebt: Wie geht es dir jetzt, nachdem du wieder über ein Jahr in der Alltagswelt unterwegs bist?
Petra: Heute geht es mir sehr gut. Ich hatte das große Glück, alles Erlebte, all die Gedanken und Gefühle noch einmal durchleben zu können, indem ich alles niederschrieb und zu meinem Buch machte (Anmerkung: Infos dazu nach dem Interview). Das hat sehr gut getan. Außerdem habe ich mein Arbeitspensum herabgesetzt auf 80 Prozent – mit den Überstunden, die es nach wie vor abzuarbeiten gilt, werden es ohnehin 100 Prozent, aber es ist trotzdem eine Erleichterung.
Ich bin ruhiger und gelassener geworden. Auch eineinhalb Jahre nach meinem Trail kann ich immer wieder die schönen Momente dann abrufen, wenn mir danach ist. Wie gesagt, es geht mir sehr gut!
gehlebt: Du bist gemeinsam mit deinem Mann vom Großglockner losgewandert. Wieviele Tage habt ihr gemeinsam am Weg verbracht und was hat sich für dich geändert, als ihn die Berufswelt wieder gerufen hat?
Petra: Ich bin mit meinem Mann nicht vom Großglockner, sondern von Wals bei Salzburg gewandert – vor die Haustüre und los gings! Das war ein ganz besonderer Moment, für so lange Zeit das Heim zu verlassen! Wir haben an unserem 7. Tag der gemeinsamen Wanderung den Großglocknergipfel bestiegen. Ein absolutes Highlight unseres Weges!
Es gab zu zweit auf den 18 Tagen, auf denen mich mein Mann begleitete – immerhin unsere Hochzeitsreise! – sehr viele schöne, aber auch einige nicht so schöne Momente, da es meinem Mann zu Beginn leider körperlich gar nicht gut erging und sogar ein Abbruch seinerseits zur Debatte stand. Die Trennung nach 18 Tagen war ungeheuer emotional. Am ersten Abend alleine lag ich im Zelt und hab richtig geheult… Aber es ging am nächsten Tag für mich alleine weiter und ich war guter Dinge!
gehlebt: Zu deinen Erfahrungen am Weg: Wie beurteilst du die Markierungen am AAT in den drei Ländern Österreich, Slowenien und Italien?
Petra: In Österreich sind die Markierungen meist gut ersichtlich. Ich habe mir die Strecke auf mein Tablet, das ich mitgenommen hatte, heruntergeladen und ein Ebook, das es ebenfalls am Markt gibt. Mein Mann hatte offensichtlich Zweifel an meiner Orientierungsfähigkeit, denn er gab mir auch noch ein kleines Outdoornavi mit, auf dem die Etappen ebenfalls eingezeichnet waren.
Die Strecke wurde seit Beginn des Trails leicht verändert. So kam es, dass schon mal ein und dieselbe Etappe unterschiedlich verliefen. Da muss man sich dann halt für eine Variante entscheiden. In Slowenien ist der Trail unterschiedlich gut markiert – ich konnte zumeist die Strecke finden. Italien bildet hier die Ausnahme: Ohne Buch/Navi keine Chance, die Strecke zu finden und selbst mit all den Hilfsmitteln verging ich mich immer wieder. Da freut man sich über jede AAT Markierung, die man irgendwo entdeckt!
gehlebt: In welche Regionen am AAT hast du dich verliebt?
Petra: Jeder Abschnitt des Trails bietet unglaublich schöne Momente! Einen Teil hier extra heraus zu heben, ist mir nicht möglich. Gleich der Beginn inmitten der höchsten Berge Österreichs bietet atemberaubende Bilder und immer wieder trifft man auf magisch schöne Plätze. Schließlich wird die Vegetation und die ganze Umgebung immer südländischer, je weiter man geht. Darum stößt man immer wieder auf Neues, auf noch nicht Gesehenes.
Der Weg sorgt für Überraschungen! Besonders schön war für mich der Moment als ich zum ersten Mal das Meer vor mir sah! Da hatte ich Tränen in den Augen!
gehlebt: Was war dein glücklichster Moment am AAT?
Petra: Ebenso ergeht es mir mit dem glücklichsten Moment. Aus den vielen Glücksmomenten einen einzigen hervorzuheben gelingt mir nicht wirklich. Was ist ein Glücksmoment? Den schönsten Sonnenaufgang erlebte ich mutterseelen alleine am Gipfel des Falkert. Ein unbeschreiblicher Moment! Die schönste menschliche Geste in Italien… Die Ankunft am Ziel – mein Bad im Meer, das Wiedersehen mit meinem Mann – Tränen reiche Momente voller Glück!
gehlebt: Hattest du einen besonderen Glücksbringer dabei oder hast du ein eigenes Ritual beim Wandern entwickelt?
Petra: Rituale gab es hauptsächlich am Morgen und am Abend beim Zeltab- und aufbau. Um alles richtig zu verstauen in meinem großen Rucksack, um nichts zu vergessen. Ansonsten ließ ich immer alles auf mich zukommen – keine Zwänge, keine Rituale, keine fixen Vorgaben! Das hat man ohnehin in Beruf und Alltag!
Natürlich habe ich von unseren Kindern und den Eltern kleine Glücksbringer bei mir, die mir auch sehr viel bedeuteten! Vor allem, wenn es mal nicht so schöne Zwischenfälle gab oder ich ganz alleine bei Schlechtwetter und kaum Sicht auf einem Berg war. Da gaben sie mir Kraft und Mut.
gehlebt: Du hast nun den Alpe Adria Trail zur Gänze absolviert und deine Erfahrungen werden im Frühjahr 2015 als Bucherzählung im Anton Pustet Verlag erscheinen. Wie arbeitet es sich als Autorin? Ist Wandern einfacher?
Petra: Beides hat seinen Reiz. Natürlich ist und bleibt das Wandern, das Erleben, der Trail das, was mir geholfen hat. So etwas zu erleben bleibt immer im Kopf, es prägt das weitere Leben. All dies in meinem Buch noch einmal zu verarbeiten war, als würde ich den Trail noch einmal gehen! Ein besonders schönes Erlebnis!
Ich begann mit den ersten Worten und dann ging es wie von selbst – all die Erinnerungen, sogar die Gedanken und die Gefühle, die ich auf dem langen Weg erleben durfte, waren wieder da und ich durfte dies alles zu Papier bringen! Ich glaube, das Buch ist sehr authentisch und wer es liest, hat meine Erlebnisse mit mir erlebt!
gehlebt: Gibt es schon neue „Weitwander-Pläne“ oder lässt du es auf dich zukommen?
Petra: Zur Zeit bin ich mit meiner Arbeit, mit dem Buch und anderen sportlichen Aktivitäten beschäftigt. Heuer habe ich einige Radrennen erfolgreich bestritten. Trotzdem zieht es mich nach wie vor in die Berge. Ich plane nicht, obwohl ich schon einen großen Traum im Kopf schwirren habe – und auch dieser benötigt kein exotisches Land… Vielleicht verwirkliche ich dies in ein paar Jahren.
Sollte es mir jemals wieder schlechter ergehen, dann warte ich nicht mehr, bis ich wieder vor einem Burnout stehe – ich nehme mir Zeit für mich!
gehlebt: Zum Abschluss: Welche/n Tipp/s kannst du all jenen Menschen mitgeben, welche immer schon mal länger zu Fuß unterwegs sein wollten, aber es sich noch nie wirklich getraut haben?
Petra: So eine Auszeit zu nehmen ist für einen „normalen“ Arbeitsmenschen nicht einfach. Ich musste mir dafür den gesamten Urlaub für ein Monat sparen und dann noch ein Monat unbezahlten Urlaub nehmen. Nicht jede Firma bewilligt das. Mein Mann hätte unmöglich so lange von seiner Arbeit fern bleiben können. Da spielen natürlich auch die Umstände eine große Rolle. In meinem Fall – einem drohenden Burnout und Krankenstand – war es keine Frage, ob ich das mache, sondern nur unter welchen Umständen ich die Reise antrete. Ich wusste, ich WILL das machen! Auf jeden Fall!
Es gibt immer eine Lösung – man muss nur danach suchen! Ich kann nur allen Menschen, denen es ähnlich ergeht, wie es mir ergangen ist, raten: Nehmt euch eine Auszeit! Macht es! Tut es! Habt Mut! Es wird eurem Leben so viel neue Energie schenken, dass kleine Entbehrungen davor sich in Nichts auflösen! Mein Buch wird euch zeigen, dass es geht…
Zu Fuß unterwegs zu sein bedeutet, ganz zu entschleunigen, zu sich selbst zu finden! Der Blick für das Wesentliche stellt sich ein! Auch kleine Dinge werden groß. Eine gewisse Ausdauer und Kraft musste ich mir für den schweren Rucksack natürlich antrainieren, aber es muss ja keiner gleich den gesamten Trail durchwandern. Ein paar Etappen im Urlaub geben da bereits viel Kraft. Versucht es doch auch, alleine zu gehen. Es ist noch wesentlich intensiver als mit einem Partner oder Freunden und ein echtes Erlebnis!
Liebe Petra, ein herzliches Dankeschön für die Beantwortung der Fragen und alles Gute auf deinem weiteren Weg.
Mehr zu Petra Albenberger, geb. 1968, ihrem begangenen Weg und aktuelle Informationen zum Buch findet man auf ihrer Facebook-Seite „Der Alpe Adria Trail – Timeout statt Burnout“.
Der Alpe Adria Trail ist ein 690km grenzüberschreitender Fernwanderweg und führt vom Fuße des Großglockners nach Muggia an der italienischen Adriaküste. Als Literatur für die Planung und Begleitung am Weg empfehle ich den Rother Wanderführer von Martin Marktl und Astrid Christ zum Alpe Adria Trail.
Das schon erwähnte Buch von Petra Albenberger wird im Frühjahr 2015 im Verlag Anton Pustet erscheinen.
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