Schnaaaarch. Jemand hat in der Nacht der Nase völlige Freiheit gelassen und den halben navarrischen Waldbestand umgeholzt. Im nächsten Ort hole ich mir wieder Ohrenstöpsel, das ist fix.
Das Frühstück in der Casa Paderborn ist kein Vergleich zum Tag davor in Larrasoaña. Viel Auswahl, man wird satt und es schmeckt. Die Deutschen lassen sich nicht lumpen. Außerdem werden die Personen im Frühstücksraum wild durcheinandergewürfelt. So unterhalte ich mich mit einem jungen Burschen, der nach einem Unfall fast nicht gehen kann und im Rollstuhl sitzt. Er und seine gehenden Begleiter absolvieren den Jakobsweg. Ca. zwei Kilometer kann er am Tag gehen, dann muss er wieder in den Rollstuhl und wird geschoben oder in das Betreuungsauto gebracht. Aber meist will er nicht ins Auto, erklärt mir sein Betreuer. Ich werde ihn noch einmal treffen, dazu bald mehr.
Wir verlassen die Herberge bei Dunkelheit, heute steht uns ein längerer Tag bevor. Michael bleibt aufgrund seiner Zahnbeschwerden noch in Pamplona und sucht eine andere Herberge auf.
Unspektakulär folgen wir einer Landstraße in die Ortschaft Cizur Menor, in welcher eine sehr einfache Herberge des Malteser-Ordens zu finden ist. Auf bergauf führenden Schotterstraßen erreichen wir das kleine Dörfchen Zaraquiegui, in welchem wir eine kleine Trinkpause einlegen. Mit dabei ist nun auch Sascha, welchen wir vor zwei Tagen kennengelernt haben. Er humpelt zwar, sein Kniestrumpf soll ihm aber die notwendige Stütze geben.
Graue Wolken hängen tief über der Landschaft von Navarra. Es schüttet zwar nicht wie aus Kübeln, aber die Notwendigkeit von Ponchos ist unbestritten.
Geografischer Höhepunkt des heutigen Tages ist die Passhöhe Puerto del Perdón auf 734m. Auf diesem Höhenrücken lassen sich viele Windräder finden und dessen Existenz ist augrund dem stark wehenden Wind am Pass äußerst berechtigt.
Am Puerto del Perdón sieht man, welche Landschaft man in den nächsten Stunden erwandern wird. Neu in unserer Wandergruppe ist der Heidelberger Steven, er drängt mit seiner Frohnatur die grauen Wolken in den Hintergrund.
Auf steinigen Pfaden erreichen wir bergab gehend den Ort Uterga. Von hier aus folgen wir noch dem markierten Jakobsweg nach Muruzábal, wir wenden uns dann aber vom Hautweg ab und besuchen die romanische Kirche Eunate. Wer am Pflasterboden mehrmals barfuß und schweigend die Kirche umrundet, könne die spirituelle Kraft besser spüren, sagt man. Ich habe jedoch nur die letzten 90km gespürt.
In Eunate treffen wir auf einen weiteren Jakobsweg: den Aragonesischen Jakobsweg. Dieser startet am Somport-Pass und führt über Jaca nach Eunate. Auch wenn Puente la Reina als Zusammenkunft der Jakobswege gefeiert wird, eigentlich treffen sie sich schon in Eunate bzw. Obanos. Obanos ist auch unser nächstes Ziel, welches man von Eunate aus über Schotterstraßen zwischen Weinreben und Äckern erreicht.
Nur mehr 2km trennen Obanos von Puente la Reina. Die Pilgerherberge am Ortsrand lassen wir links liegen und suchen die kirchliche Herberge auf.
Ein Bett ist schnell gefunden. Unsere Wandergruppe sieht sich nun auch als Bettnachbargruppe wieder. Zwei Betten neben mir liegt ein Spanier, welcher mehr als gezeichnet vom Jakobsweg ist. Seine Füße sind eingebunden, offene Wunden lassen jedoch die Bandagen rot färben. Er wartet auf die Ärztin und hofft dass er weitermarschieren kann. Da sind meine Fuß-Blasen ein Kindergeburtstag dagegen.
Im örtlichen Nahversorger decken wir uns mit Lebensmittel ein und bringen die Küche in der Herberge ins Schwitzen. Die Augen waren größer als der Hunger und wir laden noch andere PilgerInnen zum Abendessen ein. Ich lerne dabei meine erste österreichische Jakobswegbekanntschaft aus Wien kennen, Sabine, die Psychologie-Studentin. Ein Mann aus Polen gesellt sich zu uns, er spricht kein Wort englisch und deutsch, lernt aber am Weg spanisch. Ich unterhalte mich mit ihm und wir haben sofort einen Draht zueinander. Kamil werde ich noch öfter begegnen.
Den späteren Abend verbringen wir mit Yoga-Übungen im Zimmer. Steven zeigt uns spezielle Atemtechniken und Entspannungsübungen. Ich lege mich dabei mit dem Bauch auf den Boden, Steven sagt ich solle mich entspannen und er beginnt mit Druckmassagen auf meinem Rücken. Die Entspannung ist so groß, dass mir dabei ein klangvoller Furz entgleitet. Das Gelächter begleitet uns noch bis in die Nacht hinein.
Informationen zur Strecke
Start: Pilgerherberge Casa Paderborn in Pamplona
Ziel: kirchliche Pilgerherberge in Puente la Reina
Streckenlänge: 27,7km
Höhenmeter: 400m
Charakteristik: die ersten Kilometer wandert man noch durch Pamplona und die Vororte, dann auf Schotterstraßen zur Passhöhe Puerto del Perdón, anschließend steiniger Weg bergab und Schotterwege bzw. Landstraßen nach Puente la Reina.
Besuchte Pilgerherberge: kirchliche Herberge in Puente la Reina. Ich bin zwar nicht pingelig, aber in der Dusche musste selbst ich die Flip-Flops anziehen. Etwas unreinlich, die Stockbetten sind aber voll in Ordnung und für 4€ reicht das.
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