> zur Etappe davor: Lindauer Hütte – Totalphütte
Am frühen Morgen in meinem Einzel-Bettenlager der Totalphütte stelle ich fest, dass der Wecker meines Handys nicht funktioniert, wenn das gute Ding ausgeschaltet ist. Das Frühstück habe ich aber trotzdem nicht verpennt, bin sogar einer der ersten Ankömmlinge in der Gaststube des guten Geschmacks. Zur mir gesellen sich ein paar junge Wandersleute aus Deutschland, die heute zur Schesaplanahütte aufbrechen werden. Sie meinen, der Luftdruck steigt, das Wetter wird schöner. Das will ich auch hoffen, denn die Königsetappe des Zentralalpenweges in Vorarlberg steht mir bevor: Gipfel der Schesaplana (2.965m), Brandner Gletscher und der ausgesetzte Liechtensteiner Weg zur Pfälzer Hütte.
Etappeninfos Totalphütte – Pfälzer Hütte
Unterwegs gewesen am Donnerstag, 30.07.2015
Einkehrmöglichkeiten: Mannheimer Hütte (am unteren Ende etwas oberhalb des Brandner Gletschers gelegen), Pfälzer Hütte
Nächtigungspreise: Pfälzer Hütte: 41 € als AV-Mitglied im Lager inklusive Frühstück + ein Tee und eine große Salatschüssel
Entfernung: 13 Kilometer
Höhenmeter auf/ab: +1.210/ -1.470m
Zeitangaben real mit Pausen: Totalphütte – Gipfel Schesaplana (1h40min) – Schaflochsattel (2h10min) – Kleine Furka (1h40min) – Barthümeljoch (1h10min) – Pfälzer Hütte (55min)
Markierung: fast keine Zentralalpenweg-Schilder, ab und zu rot-weiß-rote Markierungen, lokale Markierungen (blau und rot) zu den nächsten Etappenzielen beachten, weiße Punkte oberhalb des Brandner Gletschers
Wanderkarten: ÖK 50 1229 & 1230, fb WK 374 1:50.000
Wanderführer: ÖAV Sektion Weitwanderer Zentralalpenweg Band III
Wegcharakter: anspruchsvolle Bergtour, Gletscherkontakt, teilweise stark ausgesetzt, viele Abschnitte versichert
Übersichtskarte
Zentralalpenweg 02: Totalphütte – Pfälzer Hütte
Körperlich bin ich heute topfit, das merke ich auch an den ersten Metern. Alles geht ziemlich flott vom Fuß, der noch immer überfüllte Rucksack ist kaum spürbar. Auf das schöne Wetter warte ich jedoch noch…
Gut markiert führt der blau markierte Weg in Richtung Schesaplana. Vor mir quält sich fast eine Familie durch das Blockwerk, es wird des Öfteren stehen geblieben. Mit meinem normalen Gehtempo, aber ohne stehen bleiben zu müssen, spaziere ich an ihnen vorbei. Ob ihnen ein langsameres Tempo nicht besser liegen würde?
Wer den Gipfel der Schesaplana umgehen will, kann dies am teils versicherten Südwandsteig vollführen. Den entsprechenden Abzweiger kann man auf ca. 2.700 Höhenmeter kaum übersehen.
Je höher es rauf geht, desto ungemütlicher wird die Wetterlage. Mittlerweile ist der Nebel etwas dichter geworden, eine kalte Brise hat eingesetzt, teilweise fällt Nieselregen. Daher muss ich bei der Begehung der Felsbänder ordentlich aufpassen. Nicht nur weil es rutschig ist, sondern weil auch die Ankerpunkte des angebotenen Stahlseils, teilweise so weit auseinander liegen, dass man ziemlich weit ausschwingt, sollte man sich wirklich in das Seil reinhängen.
Drei ältere Herren überhole ich noch am Weg zum Sattel auf ca. 2.900m, am Gipfel der Schesaplana treffen wir uns wieder. Die Aussicht ist…ja, bescheiden.
Lange hält man es heute am Gipfel der Schesaplana nicht aus. Es geht für mich wieder runter zum Sattel und nun auf Schweizer Staatsgebiet weiter zum Schesaplanasattel. Dass ich einen blauen Himmel wahrnehme und sogar ein bisschen Sonne abbekomme, ist jedoch nur eine Momentaufnahme – im wahrsten Sinn des Wortes.
Jetzt geht’s Richtung Brandner Gletscher. Blaue Markierungen und vor allem weiße Punkte sollen mich nun durch das Gebiet führen. Der erste Kontakt mit dem Gletscher ist einem Schneefeld gleichzusetzen, der ausgetrampelte Weg ist gut erkennbar und ohne Steigung oder Gefälle zu begehen.
Handeinsatz ist im späteren Blockwerk nun ein paar Mal gefragt, während ich versuche, die Ausmaße des Gletschers irgendwie zu erkennen. Doch ein Blick zum Ende des Gletschers ist mir dank dem Nebel nicht vergönnt.
Und dann wird es ernst. Die weißen Punkte enden am Gletscherrand, ein mageres Steinmännchen soll wohl den Einstiegspunkt markieren. Trittspuren sind keine erkennbar, den Abzweiger zur heute nicht sichtbaren Mannheimer Hütte habe ich schon passiert. Die direkte Linie zum Schaflochsattel begehen offenbar nur die Hartgesottenen unter dem Nebel. Grödel werden angeschnallt, Skiteller auf die Trekkingstöcke montiert und los geht’s. Ich erkenne zwar nicht, wo ich wieder gut aussteigen kann, doch im Grunde darf ich nicht zu weit nach unten und ich sollte im oberen Bereich bleiben. Aper präsentiert sich der Brandner Gletscher, doch ein paar Meter muss ich auf Blankeis queren. Das Mitschleppen der Grödel hat sich rentiert.
Hinweis: Der Abschnitt am und über den Brandner Gletscher ist kein einfacher! Du musst dir über deine eigenen Fähigkeiten bewusst sein und du musst auch die Risiken abwägen können. Solltest du dir bezüglich des Abschnittes unsicher sein, orientiere dich am alternativen Wegvorschlag, beschrieben im Wanderführer vom Alpenverein, Sektion Weitwanderer.
Nach zehn Minuten ist die Hexerei auch schon wieder vorbei und ich erkenne den Schaflochsattel. Jetzt wird’s wieder felsiger!
Ein richtig spannender und fordernder Abschnitt erwartet mich am Südhang des Salaruelkopfes. Beinahe durchgehend versichert, und das ist auch gut so, folge ich dem ausgesetzten und felsigen Pfad. Mitten in einer ausgesetzten Stelle bleibe ich stehen, blicke in den Nebel, schüttle den Kopf und sage zu mir selbst: „Wie genial müsste die Begehung des Pfades sein, wenn mir eine Aussicht vergönnt wäre?“
Nachdem der schwierige Teil geschafft ist, geht’s mal 150 Höhenmeter in langgezogenen Serpentinen runter, ehe der Liechtensteinerweg wieder in klassischer „Wenn-die-Aussicht-da-wäre-Hammer“-Wegstrecke in Richtung Kleine Furka (2.246m) führt.
Ab der Kleinen Furka wird das fast rein steinige Ambieten etwas verlassen und ich wandere auf Almpfaden zur Großen Furka (2.353m). Der Nachteil: Das überhängende und nasse Gras saftelt meine Hose und meine Schuhe ordentlich ein. Der Vorteil: irgendwie keiner.
Ich müsste lügen, wenn mir der anhaltende Nebel nicht schon auf die Nerven geht. Im Grunde sehe ich nicht viel mehr, was in einem Radius von 30 Metern rund um mir passiert – mit einigen Ausnahmen von 50 Metern. Ich bin heute nun doch schon etwas länger unterwegs und erwische mich bei dem Gedanken: „Wann komm‘ ich denn endlich an?“
Der Liechtensteiner Höhenweg ist gut zu begehen, technisch sind keine besonderen Kenntnisse gefordert, nur ist der teilweise aufgeweichte Weg sehr rutschig. Freude kommt in mir auf, als ich um halb 4 Uhr am Nachmittag die Pfälzer Hütte in Liechtenstein erreiche. Freude auch deshalb, weil ich schon vor drei Jahren ein Nächtle hier verbracht habe und mich damals, wie heute, die nette Hüttenchefin Elfriede sehr herzlich begrüßt hat.
Von einem „Ansturm“ bei diesem Bergwetter kann ich auf der Pfälzer Hütte nicht berichten. Ein 21-Betten-Lager gehört mir allein…das sagt wohl alles. Dafür sind mein Tee und die große Salatschüssel in Sekundenschnelle angerichtet. Auf der Pfälzer Hütte sind alle Preise nur in Schweizer Franken angeschrieben, zu stark verändern sich die Wechselkurse, um immer alle Tafeln auch mit Euro-Preisen zu bestücken. Euronen werden aber ohne Probleme angenommen.
Wisst ihr, was gemein ist? Im Laufe des Abends erlebe ich, dass sich das Wetter von Stunde zu Stunde bessert. Sogar die Sichtung des Sonnenunterganges ist für mich dabei. Und um 4 Uhr früh werde ich kurz wach, blicke aus dem Fenster und sehe mich einem wolkenlosen Nachthimmel konfrontiert, der Vollmond ragt über den Bergen des Rätikons. So, und jetzt zum eigentlichen gemeinen Teil der Geschichte: Ab Freitag, also morgen, ist ideales und wunderschönes Bergwetter angesagt – und ja, an diesem Freitag muss ich ins Tal absteigen und wieder die Heimreise antreten. Die weltlichen Verpflichtungen rufen lautstark.
Hier an der Pfälzer Hütte beende ich also vorerst die Begehung des Zentralalpenweges. Doch ich komme wieder und setze meinen Weg fort. Aber nicht von der Pfälzer Hütte. Die Strecke von der Totalphütte bis hierher möchte ich noch einmal gehen – bei schönem Wetter.
7 Kommentare
Moin! Klasse Bericht, Hut ab! Habe dieses Jahr noch vor, in der Nähe des Matterhorn in der Schweiz wandern zu gehen, wobei ich kein Weitwanderer bin. Umso interessanter war es, deinen Bericht zu lesen! Freue mich schon auf deine nächste Wandertour, beste Grüße!
Helloooo :)
Danke, das freut mich total! Viel Spaß beim Matterhorn, will ich auch mal in Live und in Farbe sehen.
Liebe Grüße, Martin
Vielen Dank für die rasche Antwort, die von dir benutzten scheinen ein schöner Mittelweg zu sein zwischen den Modellen mit kleineren spikes (die ich manchmal sogar im Wienerwald für Winterwanderungen benutze) und den doch arg klobigen :)
Wunderbarer Bericht!
Als Weitwanderer, der jedoch selten die 1500 meter übersteigt, habe ich keine Ahnung von Gletscher/Schneefelderquerungen. Würde mich interessieren welche Art Grödel du benutzt falls ich doch mal den 01er oder 02er angehe. Beim ersten googlesn kam ich doch zu sehr unterschiedlichen Modellen
Hallo Christian!
Danke für dein Kompliment.
Also ich verwende Grödel der Firma Snowline, einem koreanischen Unternehmen, die sich auf Schnee- und Eis-Schuhzusätze spezialisiert haben. Gibt’s zum Beispiel beim Bergfuchs und genau diesen hab‘ ich auch: http://www.bergfuchs.at/snowline-spikes-groedln.html
Funktioniert super, solange das Gelände nicht zu steil ist.
Liebe Grüße,
Martin
Ach wie schade mit dem Wetter – aber das kann man ja leider nicht ändern.
LG
Mel
Ja, habe mich anfänglich auch ein bisschen geärgert. Vor allem weil der nächste Tag wunderschön war. Aber wie du es sagst, kann man leider nicht ändern und deshalb werde ich die Strecke bei Schönwetter noch einmal gehen. :)
Liebe Grüße, Martin