Heul! Mein vorerst letzter Wandertag in Neukirchen am Großvenediger beginnt wie die vorhergegangen Tage auch: mit einem zünftigen Frühstück im Wanderhotel Gassner. Heute ist für mich der Tag der Abreise, der Zeitplan steht. Kurz nach 16 Uhr werde ich – ganz dem Umweltzeichen entsprechend – mit dem Bus nach Zell am See aufbrechen und mit der ÖBB über Salzburg nach Wien railjeten. Aber zuvor habe ich mir noch einen kleinen Spaziergang vorgenommen, ein wenig die Gegend erkunden. Was eben möglich ist bei dem straffen Zeitplan. So werde ich mich in den wenigen Stunden einfach mit acht Gipfelbesteigungen zufrieden geben. Eben auf die gemütliche Tour.
Neukirchner Trailrun-Kletter-Wander-Spaziergang
So gemütlich, dass ich das erste Mal seit – keine Ahnung – gefühlt 254 Jahren wieder eine Seilbahn dazu benutze, einen Berg hoch zu kommen, um oben wandern zu gehen. Der Zeitplan, der Zeitplan. Aber pünktlich um 9 Uhr vormittags lasse ich mich von der Wildkogelbahn nach oben transportieren. Heimatgefühle kommen auf, in der Gondel lerne ich zwei OberösterreicherInnen kennen, welche unweit meines Heimatortes wohnen. An der Bergstation verabschiede ich mich von den Zweien, wandere und laufe ich doch vorerst der Sonne entgegen zum Gipfel des Wildkogels. Mein erster Gipfel des heutigen Tages ist nach 25 Minuten erreicht und blicke alleinstehend von 2.224 Metern hinab ins Salzachtal, zum Rettenstein, aufs Steinerne Meer, in die Hohen Tauern und auf meinen weiteren Wegverlauf zum Steinkogel.
Was ich vor einigen Wochen am Ötscher begonnen habe, Müll vom Berg mitzunehmen, setze ich hier auch wieder fort. Meine Ausbeute am Wildkogel: drei Zigarettenstummel. Und ich greife einfach mal vorweg, dass ich in Summe neun Zigarettenstummel, eine zerdrückte Aluminiumdose und einen Plastikstab eines Lutschers mit ins Tal genommen habe. Mein kleiner Beitrag zum Umweltzeichen.
Ich laufe wieder retour zur Bergstation. Mir kommen nun mehrere Menschen entgegen, welche mit der zweiten Bergfahrt der Wildkogelbahn den Weg in die Höhe gesucht haben. Und sie sind nahezu CO2-neutral auf den Berg gefahren. Ich spaziere nämlich weiter Richtung Alpengasthof Wolkenstein und finde mich in einem Photovoltaik-Feld wieder. Hier entstand in den letzten Jahren Europas höchte PV-Anlage, welche im Schnitt 75% des Stromverbrauchs der Bergbahnen Wildkogel abdeckt. Diese umweltfreundliche Stromerzeugung passt ganz gut in das Bild der Alpine Pearls, welche sich sanften, mobilen Urlaub auf die Fahnen geschrieben haben. Neukirchen am Großvenediger ist eine von fünf Alpine Pearls in ganz Österreich.
Am Alpengasthof Wolkenstein zweigt der Zentralalpenweg 702A nach Norden ab und verläuft am Osthang des Frühmessers zur Herrnsteig Scharte. Dann würden mir aber drei Gipfel entgehen, so enschließe ich mich dem markierten Weg in Richtung Braunkogel zu folgen. Der Wanderweg führt außen um den 2.167 Meter hohen Gipfel herum, ich steige auf zum Grat und suche mir einen Weg auf den unscheinbaren Gipfel. Ein wenig Kraxelei, ein wenig brüchiger Fels unter den Fingern, lassen die Freude in mir hochkommen. Ein schmaler unmarkierter Pfad führt vom Braunkogel einige Höhenmeter bergab wieder auf den markierten Wanderweg, welcher nun felsig auf den 2.233 Meter hohen Frühmesser führt.
Lange halte ich mich am von Wanderern besetzten Frühmesser-Gipfel nicht auf. Ein wenig Sehnsucht nach Ruhe und Einsamkeit treibt mich laufend auf genialen Trails auf den unmarkierten 2.158 Meter hohen Grasleitkopf. Hier lasse ich mich ein wenig nieder und genieße die Aussicht bei dem kleinen selbstgebastelten Gipfelkreuz. Prächtig präsentiert sich der Große Rettenstein im Nordosten, dahinter lauern die Steinberge. Nach dem vierten Gipfel des heutigen Tages folgt nun eine kurze Gipfelpause.
Mit großer Laufmotivation ausgestattet erreiche ich die Geigenscharte und wandere am feuchten Nordhang der Geige zu einem Sattel. Hier treffe ich wieder auf einen gut markierten Wanderweg und mache einen Abstecher zum 2.169 Meter hohen Gamsbeil. Es ist dieser Gipfel auch der einzige dieser Tour, welcher sich zur Gänze in Tirol befindet und nicht wie z.B. der Grasleitkopf an der Grenze von Salzburg und Tirol liegt.
Am Gipfel treffe ich zwei Wandermädels, welche mich nach dem Gipfel der Geige fragen, wo er denn genau liege. Schwierig zu sagen, meine ich jedenfalls. Irgendwo da, es müsste ein kleiner See unter dem Gipfel sein, sieht man aber nicht von hier. Sie haben sich den Geier jedenfalls für die nächste Wandertour vorgenommen.
Ich habe in meiner Wanderkarriere schon viele schöne Septembertage am Berg erleben dürfen, aber was ich da heute erlebe, ja das gab’s noch nie. Früher war also doch nicht alles besser.
Wieder retour am Sattel, suche ich mir fast in Diretissima-Manier einen Weg zur 2.080 Meter hohen Geige, dessen höchste Erhebung aber gar nicht so leicht auszumachen ist. Teilweise erblicke ich rote Punkte auf den Felsen, bin mir nicht ganz sicher ob sie einen Weg deuten sollten. Ich gehe jedenfalls meinen eigenen Weg. Und sollten die zwei Mädels vom Gamsbeil diesen Bericht zufällig lesen: Der Gipfel der Geige befindet sich direkt über einem Bergteich, siehe unten. Der Bergteich ist jedenfalls noch kein See, aber auch keine Latschn mehr, ein Teich eben, irgendwie. Weglos jedenfalls und unmarkiert. Stillgewässer in jeglicher Hinsicht. Mit Preiselbeergeschmack.
Langsam nähere ich mich dem geographischen Höhepunkt der Tour. Von der Geige spaziere ich wieder auf den markierten Pfad hinab und bin, ohne es zu wissen oder es irgendwo auch nur zu erkennen, wieder am Zentralalpenweg 02A gelandet. Ein kurzer Abstecher ist mir der unmarkierte Gipfel des Speikkogels auf 2.232 Metern wert. Das Kärntner Pendant wirkt etwas interessanter. Jedenfalls ist von hier der unmarkierte Verbindungsgrat zwischen Steinkogel und Gamskogel erkennbar, welchen ich als Gipfel Nr. 9 im Visier gehabt hätte. Hätte, denn der Zeitdruck des Heimkommens ist gegen mich. So steige ich den steinigen Grat zum Steinkogel bergauf, eine 5-6 Meter hohe Felswand ist mit einem Stahlseil gesichert. Sorry, liebe Erbauer der Sicherung, aber irgendwie traue ich eurem schlacksigen Werk nicht wirklich und lasse das Stahlseil rechts liegen. In einfacher Kletterei (1+) überquere ich die Steilstufe, die nächste Stufe ist mit einer Leiter abgesichert, welche etwas stabiler als die Sicherung zuvor aussieht.
Ein paar Minuten später stehe ich am 2.299 Meter hohen Steinkogel. Leider fließt in meinen Venen kein Skispringerblut, hätte so den einen Meter zur runden Sache wohl auch noch erspringen können.
Nach meinem achten und letzten Gipfel des heutigen Tages geht es nur mehr abwärts. Anfänglich führt vom Steinkogel noch ein steiniger und teils steiler Steig bergab, langsam geht der Weg etwas in die Breite und führt auf eher gemütlichen Wanderwegen hinab zur Unterburg Hochalm. Zwar begleiten mich ab hier feine Ausblicke in den gletscherbesetzten Süden, der Schotter-Fahrweg führt mich aber eher unspektakulär zur Steineralm. Diese von außen sehr gemütlich anmutende Einkehrmöglichkeit muss ich aber aus zeitlichen Gründen ebenso links liegen lassen. Furchtbar sind die Leute, die einen Stress am Berg haben, gell?
Von der Steineralm spaziere ich die breite Schotterstraße weiter bergab und biege erst bei der Taubensteinkapelle auf den Waldweg Richtung Neukirchen ab. Dann wird’s sportlich wieder ganz spektakulär. Nachfolgend wandere ich in chronologischer Reihenfolge an einem Hochseilklettergarten, Bogenparcours, einer Rodelbahn und „1 Bikepark“ hinab nach Neukirchen.
Mein eigenes Halbtagesprogramm ist somit abgeschlossen. Ich packe wieder meine sieben Zwetschken zusammen und verlasse die alpine Perle Neukirchen am Großvenediger. Nochmal zum Mitschreiben: Wildkogel, Braunkogel, Frühmesser, Grasleitkopf, Gamsbeil, Geige, Speikkogel, Steinkogel. Baba.
Kurzinfos
Weglänge: 21km
Höhenmeter bergauf: 1.060m
Höhenmeter bergab: 2.200m
Anfahrt: Zu Fuß vom Hotel Gassner bis zur Talstation der Wildkogel-Bahn (ca. 15 Minuten), Fahrt zur Bergstation dank Nationalpark Sommer-Card kostenlos.
Wanderkarte: freytag & berndt WK 121, BEV ÖK50 3219
Weitere Wandervorschläge: online bei Wildkogel Arena und Wanderhotel Gassner zu finden.
Bei dieser Wanderreise im Oberpinzgau waren mit dabei: Angelika von wiederunterwegs.com, Matthias und Barbara von traveltelling.net und Christina von cityseacountry.com haben die Region bei teils unterschiedlichen Aktivitäten kennengelernt.
Diashow-Video der Tour
Hinweis: Die mehrtägige Reise erfolgte auf Einladung vom österreichischen Umweltzeichen und dem Ministerium für ein lebenswertes Österreich sowie dem Wanderhotel Gassner. Wer mich kennt, weiß, dass dieser Umstand nichts an meiner Kritikfähigkeit ändert.
Ein Kommentar
Unpackbar, was man (Martin) an einem Vormittag so alles unterbringt (danke Gondel :-) – tolle Preiselbeerfotos und eine so nette blumige informative und mitreißende Wanderer-Schreibweise wie im Tourenbuch meines Großvaters aus den 60er und 70er Jahren (das ist ein Kompliment).
Danke für den schönen Beitrag.