Seit 1966 ist in der Unteren Lobau ein Grundwasserwerk in Betrieb. Dieses kann 80.000 m³ Trinkwasser pro Tag liefern und wird zur Abdeckung von Verbrauchsspitzen verwendet.
Anfang des 21. Jahrhunderts plante die Stadt Wien eine zentrale Trinkwasseraufbereitung im Bereich Kleehäufel (22. Bezirk), die Grundwässer aus den Brunnenfeldern im 21., 22. und 20. Bezirk aufbereiten sollte. Als „weiterer Schritt zur Grundversorgung“ wurde das Projekt angekündigt, Grundstücke wurden erworben und ein Architekturwettbewerb durchgeführt.
Das Werk Kleehäufel wurde bislang nicht umgesetzt. Zu den letzten Informationen über das Werk, gesellt sich die geplante Wien-Ostumfahrung und folgegleich der viel diskutierte Lobautunnel. Eine chronologische Aufarbeitung der Fakten, in grau gehalten die Ereignisse bezüglich Ostumfahrung.
Aufbereitungsanlage Kleehäufel und SUPerNOW
4. Mai 2000: Ein Sachkredit für eine Wasseraufbereitungsanlage Kleehäufel wird im Gemeinderat genehmigt, inkludiert sind Vorarbeiten und der Erwerb von Grundstücken.
7. November 2000: Im Stadtsenat wird von Werner Faymann (damals Stadtrat für Wohnbau und Stadterneuerung) ein Antrag zum Kauf zweier Grundstücke im Kleehäufel für die Trinkwasseraufbereitungsanlage eingebracht: KatG Stadlau, Grundstücke 332/1 und 332/2, Einlagezahl 82.
22. November 2000: Der Kauf der erwähnten Grundstücke wird im Gemeinderat genehmigt.
15. März 2001: Die Stadt Wien kauft die beiden Grundstücke (Datum des Kaufvertrages laut Grundbuchauszug).
Oktober 2001: Die Arbeit am „Verkehrskonzept 21./22. Bezirk“ beginnt.
1.März 2002: Gemeinderat Andreas Schieder berichtet von dem Vorhaben SUPerNOW (Strategische Umweltprüfung im Entwicklungsraum Nordosten Wien, früher Verkehrskonzept 21./22. Bezirk). Dieses Projekt soll verschiedenste Verkehrskonzepte im Nordosten Wiens beleuchten und zu einer guten Entscheidungsgrundlage für verkehrspolitische Eingriffe führen.
In der gleichen Sitzung spricht Gemeinderat Günther Reiter (SPÖ) bereits von einer notwendigen Nordost-Umfahrung, da im Zuge der EU-Osterweiterung ein erhöhter Transitverkehr zu erwarten sei.
20. Februar 2003: Die Ergebnisse der SUPerNOW-Studie werden veröffentlicht. Das Szenario 2 (Entwicklung außen, 4km Tunnel von Knoten Schwechat durch die Lobau, Verlängerung nach Norden entlang der Stadtgrenze und Verknüpfung zur S2) scheidet in dieser Studie am schlechtesten ab. Die Ergebnisse im Wortlaut: „Vor allem Standorte an der Stadtgrenze und im Umland werden gefördert („Speckgürtel“), die aber mit Öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend erschließbar sind. Innere Stadtbereiche (Flugfeld Aspern, Hirschstetten/Eßling), aber auch die bestehenden Ortskerne in Niederösterreich werden nicht gefördert und auch keine Verbesserungen in der Verkehrsabwicklung erzielt. Die Personenkilometerleistung im MIV verdoppelt sich nahezu. […] CO2-Emissionen nehmen trotz angenommener technologischer Verbesserungen in der Fahrzeugflotte um etwa 42% zu. Die Nahversorgung wird durch Einkaufszentren und Fachmärkte in der Peripherie geschwächt, zum Nachteil für die nichtmotorisierte Bevölkerung und für die Umwelt (Verkehrsleistungen werden erhöht). […] Die zersplitterte Siedlungsstruktur erhöht die Anzahl und Länge der zurückzulegenden Wege. […] Größte potenzielle Umweltbelastung in diesem Szenario; Trasse zerschneidet die Marchfeldlandschaft. […] Nach übereinstimmender Ansicht werden im Szenario 2 Fehlentwicklungen im Planungsgebiet nicht kompensiert [und] eine geordnete, ressourcensparende und ökologisch vertretbare Stadtentwicklung nicht erreicht […].“
Dieses Szenario wird in der SUPerNOW-Studie als schlechteste Variante bezeichnet, befindet sich aktuell aber in der Umsetzung.
26. Februar 2003: Einer Presseaussendung aus dem Rathaus Wien ist die Entstehung des Wasserwerks Kleehäufel zu entnehmen. Der Architekturwettbewerb ist bereits abgeschlossen, das Architekten-Team Fasch & Fuchs geht als Sieger hervor.
Das Wasserwerk befindet sich zu dieser Zeit also mitten in der Planungsphase. Die 90 Millionen Euro teure Errichtung soll in zwei Ausbaustufen erfolgen, wobei die erste im Jahr 2008 betriebsbereit sein soll. Das Werk sei ein weiterer Schritt zur Grundversorgung der Bevölkerung mit hochwertigem Wasser. Der Baubeginn ist für 2004 vorgesehen (voraussichtlich).
In der Presseaussendung wird zusätzlich erklärt, dass mit diesem dritten Standbein, Wasserreserven bei hohem Wasserverbauch in Hitzeperioden und im Falle von Katastrophensituationen sichergestellt seien.
Wasser der Brunnenfelder Lobau-Nationalpark Donauauen, Donauinsel Nord und Nussdorf soll im Wasserwerk Kleehäufel zusammenlaufen. Entstehen soll das Werk östlich des Knotens Kaisermühlen.
25. September 2003: Amtsführender Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr, Rudolf Schicker, sagt in der Gemeinderatsitzung: „Eine 6. Donauquerung ist erforderlich […] und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine lange Untertunnelung der Lobau irgendeine Zustimmung finden wird […].„
Diese Aussage stützt sich auf die SUPerNOW-Kurzfassung der Stadt Wien. Hier ist auf Seite 35 zu lesen: „Neben U2, U6, S20 und S80 und den neuen Straßenbahnlinien ist daher auch eine neue donauquerende Straßenverbindung für den Nordostraum Wien erforderlich.“
In der originalen Langfassung der Studie ist bezüglich der Überlastung der A23 zwar zu lesen, dass „[d]er Ausbau der Straßeninfrastruktur in Form einer sechsten Donaustraßenquerung und der Schaffung leistungsfähiger Verbindungen zu beiden Seiten der Querung […] notwendig [ist]“, aber es auch gleichzeitig „zu einer Steigerung des Verkehrsaufkommens kommen wird.“
24. November 2003: Gemeinderat Paul Zimmermann erwähnt in der Gemeinderatsitzung das Wasserwerk Kleehäufel: „Infolge einer Entscheidung der obersten Wasserrechtsbehörde muss das in den Brunnenfeldern Nußdorf, Donauinsel / Prager Straße und Lobau sowie dem Markethäufel gewonnene Wasser über eine Aufbereitungsanlage geführt werden, die im neu zu errichtenden Wasserwerk Kleehäufel gebaut wird.“
Eigentlich bedeutet dies, dass eine Aufbereitungsanlage, wie im Wasserwerk Kleehäufel geplant, laut oberster Wasserrechtsbehörde unabdingbar sei. Wenn Paul Zimmermann wirklich die oberste Behörde meint, kommt nur das damalige Ministerium Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Frage.
In der gleichen Sitzung berichtet die damals amtsführende Stadträtin für Umweltangelegenheiten Isabella Kossina: „Wir haben in unsere Verfassung eine Bestimmung aufgenommen, wonach Wasser und die Wasserversorgungseinrichtungen bei uns unter Verfassungsschutz stehen.“
25. November 2003: Gemeinderätin Heidemarie Unterreiner (SPÖ) sagt in der Gemeinderatsitzung: „Es war ein richtiger Weg, die SUPerNOW zu starten, bevor es konkrete Planungen gab, und die vielfältigen Szenarien einer künftigen Entwicklung durchzudenken. […] Genau diese Punkte liegen der von uns präferierten inneren Trasse zugrunde – ich brauche es nicht zu erwähnen, Sie wissen alle, wie sie verläuft – und sind durch die äußere Variante (Anm.: Szenario 2), die von der ASFINAG als die zweite in Betracht gezogen wird, nicht erfüllt.“
2003: In einer Broschüre zum Jahr des Wassers ist von einer Trinkwasseraufbereitungsanlage Kleehäufel zu lesen: „Die Grundwässer der Brunnenfelder Donauinsel, Nußdorf und Lobau sollen in Zukunft in einer neuen zentralen Trinkwasseraufbereitungsanlage aufbereitet werden, die den höchsten Qualitätsstandards und Sicherheitsanforderungen entspricht.“
In der Vollausbaustufe der Anlage können, laut Informationsblatt, 172.800 m³/Tag Trinkwasser aufbereitet werden. Gemeinsam mit dem Grundwasserwerk Moosbrunn könnte diese Kombination die Kapazität einer Hochwasserleitung ersetzen und die Stadt wäre im Stande, eine Sanierung oder einen Ausfall einer Hochwasserleitung zu kompensieren.
Ebenso ist vom erfolgreichen Abschluss des wasserrechtlichen Behördenverfahren die Rede, auch dass die Planungsarbeiten für die Errichtung eines Transportrohrstranges auf der Donauinsel von der Bau- und Planungsabteilung der Wiener Wasserwerke aufgenommen wurden. Als Baubeginn wird 2006 genannt.
24. Februar 2004: Im Stadtsenat bringt die amtsführende Stadträtin Isabella Kossina einen Antrag zur Sachkreditgenehmigung für die Errichtung der 1. Ausbaustufe des Wasserwerks Kleehäufel ein.
3. März 2004: Das Vorhaben Wasserwerk Kleehäufel wird durchgewunken: „Das Vorhaben Wasserwerk Kleehäufel-Errichtung der ersten Ausbaustufe, mit Gesamtkosten in der Höhe von inklusive Umsatzsteuer 90 566 400 EUR (netto 75 472 000 EUR), wird genehmigt.“
23. November 2004: Gemeinderätin Brigitta Zentner berichtet in der Gemeinderatsitzung, dass die „Vorarbeiten zur Aufbereitungsanlage Kleehäufel“ im Laufen sind und Anfang 2005 die Baugenehmigung erteilt werden soll.
24. Mai 2005: Der Stadtentwicklungsplan 2005 (STEP 05) wird vorgestellt. Darin ist zu lesen: „Die am 3. 3. 2005 zwischen dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, dem Landeshauptmann von Wien und den zuständigen Direktoren der ASFINAG und der ÖBB getroffene „Absichtserklärung über die Durchführung spezieller Infrastrukturmaßnahmen im Raum Wien“ sieht vor, die S1 in der außen liegenden Trassenvariante (über die Gemeindegebiete von Groß-Enzersdorf, Raasdorf und Aderklaa) zu führen.“
Die zuvor stets bevorzugte innenliegende Variante ist hier nicht mehr erwähnt. Seither wird diese außenliegende Variante verfolgt, welche nach SUPerNOW noch als schlechteste Variante bezeichnet wurde.
26. Juni 2008: Bürgermeister Michael Häupl sagt in einer Gemeinderatsitzung, in welcher er über Gebühren und Tarife spricht, dass „die zentrale Wasseraufbereitung Kleehäufel zur Qualitätssicherung ansteht“.
Und dann?
Seither ist von einer Wasseraufbereitung oder einem Wasserwerk Kleehäufel keine Rede mehr. Kein einziges Wort findet sich davon in Sitzungsprotokollen oder Aussendungen. Das Verschwinden über Informationen des Wasserwerks Kleehäufel deckt sich zeitlich relativ passend mit der scheinbaren Variantenänderung bezüglich der Ostumfahrung und der Zustimmung für die längste Tunnelvariante durch die Lobau.
Erklärt wird dies von der MA31 – Wiener Wasser auf Nachfrage folgendermaßen: „Die Aufbereitungsanlage am Standort Kleehäufel wurde auf Grund der bisherigen Entwicklung des Wasserbedarfes noch nicht realisiert.“
Wasserbedarf der Stadt Wien
Und ja, die Entwicklung des Wasserbedarfes lassen an der Notwendigkeit eines zusätzlichen Wasserwerks Zweifel aufkommen. Der gesamte Wasserverbrauch der Stadt Wien ist seit vielen Jahren nahezu unverändert.
Sieht man sich jedoch nachfolgende Grafik (entnommen aus einem orf.at-Bericht) genauer an, hat sich seit etwa 1983 der Wasserverbauch nicht eklatant verändert.
Dies könnte natürlich als Begründung über die noch nicht geschehene Realisierung der Aufbereitungsanlage Kleehäufel herhalten: Der Bedarf wäre einfach nicht gegeben.
Der Wasserverbrauch hat sich seit 1983 kaum großartig verändert, dennoch war 20 Jahre später das Werk Kleehäufel zur Trinkwasseraufbereitung im Gespräch, wurden Sachkredite genehmigt, Grundstücke gekauft und ein Architekturwettbewerb durchgeführt. Aufgrund des schon lange davor kaum steigenden und tendenziell sinkenden Wasserbedarfs, wundert es doch, warum das Werk bis – laut Gemeinderatsprotokollen – kurz vor die Baugenehmigung kam.
Trinkwasseraufbereitung als Notwendigkeit?
Die Anlage Kleehäufel selbst hätte kein Grundwasser gewonnen, sondern Wässer aus verschiedenen vorhandenen Brunnenfeldern zusammengefasst und aufbereitet.
Als Erinnerung kurz noch das Zitat von Gemeinderat Paul Zimmermann aus dem Jahr 2003: „Infolge einer Entscheidung der obersten Wasserrechtsbehörde muss das in den Brunnenfeldern Nußdorf, Donauinsel / Prager Straße und Lobau sowie dem Markethäufel gewonnene Wasser über eine Aufbereitungsanlage geführt werden, die im neu zu errichtenden Wasserwerk Kleehäufel gebaut wird.“
Eigentlich, wenn man diesen Worten Glauben schenken möge, hätte das Werk gebaut werden müssen. Oder die erwähnte Entscheidung der obersten Wasserrechtsbehörde – damals das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Minister Josef Pröll – welche bislang noch nicht nachverfolgt werden konnte, wurde zurückgezogen.
Dotierung oder verschwindende Au-Gewässer
Wurden im Jahr 2003 noch 8,6 Millionen m³ (5,6% der gesamten Wassermenge) über Grundwasserwerke (u.a. Lobauwasserwerk) gefördert, so waren es 2008 nur noch 3,54 Millionen m³ oder 2,5% der gesamten Wassermenge. Die sinkenden Verbrauchsdaten aus Grundwasservorkommen im Wiener Wasser erwecken den Anschein, dass die Grundwassernutzung zur Trinkwasserversorgung u.a. aus der Lobau nach und nach zurückgedrängt wird. Dies mag u.a. mit der Möglichkeit einer Grundwasserverschmutzung zu tun haben, weswegen von einer stärkeren Dotierung (Zugabe von Wasser zur Aufrechterhaltung der Mindestabflussmenge) der Lobau bislang abgesehen wurde, welche die verlandenden Au-Gewässer jedoch dringend benötigen würden. Dies macht auch den früheren Direktor des Nationalparks Donau-Auen, Carl Manzano, sorgen, wie er Ende Jänner 2019 in einem Interview auf kurier.at formulierte. Eine entsprechende Trinkwasseraufbereitung würde das Problem verlandender Gewässer am Schopf packen. Die Anlage Kleehäufel wäre wohl ideal dafür geeignet gewesen, das Grundwasser der Lobau aufzubereiten und eine stärkere Dotierung der Au-Gewässer zuzulassen.
Grundwasser mit Tunnelblick
Die Absage für die Anlage Kleehäufel scheint obgleich der Umstände (schon lange zuvor nahezu gleichbleibender Wasserbedarf, Grundwasserproblematik in der Lobau bezüglich möglicher Verschmutzung) nicht plausibel.
Interessant ist der Zeitraum über das Verschwinden von Informationen des Projektes, der sich mit der scheinbar verkehrspolitischen Wende zum Lobautunnel deckt. Natürlich könnte dies alles nur Zufall sein und in Bälde werden die alten Akten zur Anlage Kleehäufel aus der Schublade geholt. Vielleicht aber wartet die Stadt noch ab, ob der anstehende Lobautunnel das Grundwasser in der Lobau beeinflusst. Im Mühlviertel sorgte ein Asfinag-Tunnelprojekt jedenfalls bereits für trockene Brunnen.
3 Kommentare
Lieber Martin, danke für diesen wichtigen Beitrag! Das Thema gehört unbedingt öffentlich debattiert. Ich recherchiere auch seit einiger Zeit dazu. Ein paar Infos: der ominöse Bescheid der obersten Wasserrechtsbehörde ist im Wiener Wasserbuch zum Grundwasserwerk Lobau nicht zu finden, den gab es offenbar nicht. Schon 1995 gab es ein Aufbereitungsprojekt, das auch in den Schubladen verschwand: Eine gemeinsame Aufbereitungsanlage auf der Donauinsel für das Wasserwerk Nussdorf und die neuen Brunnen auf der Donauinsel (siehe http://www.wien.gv.at/presse/1995/10/12/baubeginn-fuer-brunnen-auf-donauins-1). Und zur Dotation aus der Neuen Donau: Besser als nichts, aber es wird leider nicht reichen, um die Verlandung vom Kühwörther Wasser abwärts zu stoppen. Dort müssen die bei Hochwasser eingetragenen Sedimente ausgetragen werden, und mit ein paar m³ aus der Neuen Donau geht das nicht. Meine Infos gebe ich gerne weiter!
Sehr guter, informativer Artikel! Danke dafür!
Vielleicht gelangt die Aufbereitungsanlage dadurch ins öffentliche Bewußtsein.
Vielen Dank für diese genaue Recherche und Bericht!