Bevor der Herbst das erste Mal seine eiskalten Zähne zeigt, wollte ich noch einmal richtig Fels unter den Beinen spüren. Geplant war eine Bergtour über den Novembergrat auf den Gipfel des Schneebergs, Abstieg über den steinigen Wurzengraben und die klettersteigähnliche Weichtalklamm. Doch mein Körper hatte etwas dagegen. Der Darmvirus, welcher mich vorige Woche ein paar Tage niedergestreckt hatte, hat Spuren hinterlassen. Flexibel wie man aber ist, wurde die Tour während dem Aufstieg umgeplant und es wurde ein gemütlicher und schöner Wandertag ohne große Anstrengungen.
Kurzinformationen und Übersichtskarte + GPS-Download findest du am Ende des Berichtes.
Die Anreise nach Puchberg war mitunter sehr abwechslungsreich. Aufgrund von Bauarbeiten an der Bahnstrecke wurde von Bad Fischau nach Puchberg ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Ist im Grunde nicht weiter tragisch, nur war der Busfahrer noch nie auf dieser Strecke unterwegs. Die versammelten Wandermenschen im vorderen Teil des Busses navigierten den Fahrer aber von Station zu Station und auch nach Puchberg. Eine zeitliche Verspätung ließ sich nicht vermeiden, der Anschluss-Bus nach Losenheim war schon vor 15 Minuten abgefahren, verärgerte Gesichter begleiten meinen Weg vom Bahnhof weg. Ich gehe zu Fuß.
Mein nächstes Ziel ist das Schneebergdörfl. Zeitsparend wandere ich die Straße entlang und treffe dabei auf die seit 1631 bestehende „Schneeberger Säge“, welche in den letzten Jahren restauriert wurde und nun von Mai bis Oktober jeden Sonntag und Feiertag bei einer Vorführung betrachtet werden kann.
Das Schneebergdörfl lasse ich hinter mir und wende mich dem blau markierten Schneidergraben zu. Von nun an geht der Weg steil bergauf, meine körperliche Kraft jedoch steil bergab. Wenige Tage zuvor lag ich noch mit Fieber niedergestreckt im Bett und ernährte mich von Zwieback und Tee. Wenn mein Körper, außer dem Mund natürlich, reden könnte, er hätte mir einiges zu sagen gehabt: „Bist deppad? Bin grad erst wieder a bissl abgekühlt. Wenn du scho Wandern gehen willst, dann mach was gmiatliches.„
Auf den Körper sollte man hören. Ich steige den geröllhaften Schneidergraben jedoch noch bergauf, ehe der Graben auf den querenden Nördlichen Grafensteig trifft. Eigentlich habe ich im Moment noch nichts an der Tour verändert, denn den rot markierten Grafensteig in nördlicher Richtung hätte ich bei der Novembergrat-Tour ebenfalls kurz begehen müssen.
Wenige Minuten nach stetigem, aber gemütlichem Auf und Ab lande ich an einem schönen Aussichtsplatzerl (Sitzstatt), welches unweigerlich zum Rasten auffordert. Ich blicke in Richtung Schneebergmassiv und erkenne den Trampelpfad, welcher zum Novembergrat führt. ‚Heute nicht‘ sag ich zu ihm.
Der Nördliche Grafensteig ist zwar schmal, jedoch relativ einfach zu begehen. Gedankenlos sollte man dennoch nicht umherwandern, für meine körperliche Verfasssung ist der Weg aber eine Genuss-Tour.
Ich überquere die Geröllhänge der Krummen und Breiten Ries. Am Hang der wohl klassischsten Skiabfahrt am Schneeberg genieße ich die Aussicht und die faszinierende Stille, es ist, wie man so schön sagt, mucksmäuschenstill.
Nur wenige Meter nach der Breiten Ries erreiche ich die Ferdinand-Bürkle-Bergretterhütte auf 1.320m. Die 1957 und 1958 errichtete Hütte dient als Stützpunkt für die örtliche Bergrettung. An der Hütte ist eine Tafel mit Inschrift zu finden:
Sollst du einmal in Bergnot sein
Die Männer holen dich aus der Wand
Drum schone die Hütte, brich nicht ein
Ihr Einsatz sei dafür der Dank.
Nach einigen Kehren im Aufstieg treffe ich auf eine Wegkreuzung, dessen linker Abzweiger zur Rieshütte und in weiterer Folge auf den Nandlgrat treffen würde. Zu meiner Rechten erblicke ich jedoch ein steinernes Gebilde, welches meine Aufmerksamkeit erregt. Ein schmaler Trampelpfad führt mich zum Erzengelstein.
Der Stein am Hansenriegel wurde 1996 von der ÖAV Sektion Burgenland errichtet und ist den drei Erzengeln Michael, der Wegstreiter, Gabriel, der Wegbereiter, und Raphael, der Wegbegleiter, gewidmet. In der Festschrift der Bergrettung Puchberg „50 Jahre Ferdinand Bürkle Hütte 1958-2008“ ist außerdem zu lesen: „Es scheint uns auch recht zu geben, keinen Wegweiser zum Bildstock aufgestellt zu haben. Viele haben dadurch die Freude des Findens erleben dürfen.„
Ich folge weiter der roten Markierung und den Wegweisern zur Edelweißhütte, überquere das Lahningries, treffe kurz danach auf einen Gedenkstein aus dem 1980er Jahr und könnte einem Wegweiser zur Sparbacherhütte folgen. Mache ich aber nicht, denn seit 2006 befindet sich die Hütte in Privatbesitz und Labung ist hier keine mehr möglich. Ein Glück, dass nur einen Steinwurf entfernt die Edelweißhütte geöffnet hat und hungrige Wandermenschen mit Knödel vollstopft.
Am Wegweiser-Stangerl vor der Edelweißhütte treffe ich auf einige Bekannte. Ein Holzschild mit der Aufschrift „I Kyselak“ bringt mich wieder einmal zum Schmunzeln, ein Sticker von „Der Hochtourist“ kommt mir auch sehr bekannt vor. Außerdem treffe ich hier auf bekannte Weitwanderwege wie den Nordalpenweg, den Wiener Alpenbogen und den Piestingtaler Rundwanderweg 231. Diese drei Wege werden mich auch bis zur Mamauwiese begleiten.
Am Weg über die Dürre Leiten begleitet mich in meinem Rücken der Schneeberg, eine rot-weiß-rote-Markierung, die Zahl 231, ein tut-gut-Wanderweg sowie Ausblicke auf Unterberg, Schober und Öhler. Ich wandere einen Waldsteig bergab und treffe wieder auf einen Bekannten, diesmal ein Lebendiger. Ein Weitwander-Kollege vom Wiener Stammtisch müht sich hinab, ich bin etwas flotter als er unterwegs, für ein Plauscherl ist aber Zeit. „Im Wanderführer steht ’steiler Wurzelsteig‘, recht hat er g’habt, die Dürre Leiten geh i nimma.“
Man trifft auf eine Forststraße und erkennt, dass man ebenso gerade am Niederösterreichischen Landesrundwanderweg unterwegs war. Zur Linken könnte ich die Mamauwiese erreichen, der Konjunktiv verrät aber, dass ich andere Absichten habe. Ich wende mich nun dem Burgenländischen Mariazellerweg zu meiner Rechten zu. Dieser leitet mich am Römerweg bergab, an der Sebastiankapelle vorbei, welche schon bessere Zeiten gesehen hat, und über Almwiesen und Ortsstraßen direkt zum Bahnhof Puchberg.
Im Grunde hört der Bericht mit dem Erreichen des Zieles und einem kurzen Fazit eigentlich auf. Ich möchte jedoch auf die Stressbewältigung beim Wandern hinweisen.
Eine ungeduldige Meute Wandermenschen versammelt sich am Bahnhofvorplatz und diskutiert über den Schienenersatzverkehr. Die geplante Abfahrtszeit ist 15:35 Uhr. Um 15:28 Uhr ruft ein nahezu erboster Wanderer die Telefonnummer vom Hinweisschild zum Schienenersatzverkehr an und „belästigt“ die „gnädige Frau“ am anderen Ende der Leitung mit Fragen wie: „Kommt hier eh ein Bus?“ und „Wann kommt der denn endlich?„. Die Meute beruhigt sich nicht, obwohl ein gelassener Mann darauf hinweist, dass sie einfach warten sollen, der Bus „kommt ja eh„.
15:37 Uhr. Der Bus hat noch nicht den Weg zum Bahnhof gefunden, die „gnädige Frau“ kommt noch einmal zum Handkuss. „Es ist nun schon 15:37 Uhr und der Bus ist noch immer nicht da!“ Blablabla, blablabla. Just in diesem Moment fährt der Bus ein, „gut, da kommt ein Bus, ich überprüfe noch ob das eh der Schienenersatzverkehr ist.“ Ich hoffe die „gnädige Frau“ konnte daraufhin wenigstens für Belustigung in ihrem Büro sorgen.
An die Menschen, die so reagieren würden wie der ungeduldige Herr: bitte seid nicht so unglaublich gestresst. Ihr geht wandern, das sollte entstressend wirken. Und vergesst nicht die An- und Abreise, das gehört ebenso noch zum Wandererlebnis dazu. Es lebt sich viel einfacher, wenn man nicht so angespannt ist, sich einfach mal ein bisschen zurücknimmt, ein wenig die Wurschtigkeit hochkommen lässt, erkennt wie gut es uns geht und sich einfach mal „gehen“ lässt. Dann kann man auch mit einem Weltuntergangsszenario wie einem Schienenersatzverkehr gut umgehen.
Weitere Informationen
Ausgangs- und Endpunkt: Bahnhof Puchberg/Schneeberg
Streckenlänge & -dauer: 21km / 6,5 Stunden
Höhenmeter: 1.000m
Wegcharakter: Der blau markierte Schneidergraben ist steil, jedoch ohne Handnutzung begehbar. Im oberen Teil vor der Kreuzung des Grafensteiges wechselt man zwischen festem Steig und Geöllweg. Am rot markierten Nördlichen Grafensteig in Richtung Edelweißhütte erwartet einem ein schmaler Waldweg, ein ständiges Auf- und Ab jedoch ohne große Höhenunterschiede, Querung von Geröllhängen in der Krummen und Breiten Ries. Über die Dürre Leiten rot markierter Waldsteig, ab Höhe Mamauwiese rot markierte Forststraße sowie gemütliche Wald-, Alm- und Asphaltwege.
Einkehr: Gasthaus Zwinz im Schneebergdörfl, Edelweißhütte, Gasthof am Bahnhof Puchberg
benutzte Karte: BEV Sonderkarte 25 Schneeberg & Rax
weitere Karten: fb WK 022, fb WK 012, BEV ÖK50 4212
Wanderführer der Region: Rother Wiener Hausberge, Schall Bergwanderatlas Niederösterreich
Karten und Literatur bei freytag & berndt, Wallnerstraße 3, 1010 Wien erhältlich, outdoor@freytagberndt.at, +43(0)1 533 86 85-15, www.freytagberndt.at
Sollten Fragen, Anmerkungen, Hinweise oder Ergänzungen auf der Zunge brennen, bitte entweder ein Kommentar am Beitragende hinterlassen oder eine E-Mail an martin@gehlebt.at senden.
Vernetzung mit Weitwanderwegen
- Nordalpenweg 01 von der Edelweißhütte zur Kreuzung bei Mamauwiese
- Piestingtaler Rundwanderweg 231 wie Nordalpenweg
- Niederösterreichischer Landesrundwanderweg wie Nordalpenweg
- Wiener Alpenbogen wie Nordalpenweg
- Burgenländischer Mariazellerweg 06 von Kreuzung bei Mamauwiese nach Puchberg
Grober Wegverlauf
Bahnhof Puchberg – Schneebergdörfl – Schneidergraben – Nördlicher Grafensteig – Edelweißhütte – Dürre Leiten – Sebastiankapelle – Bahnhof Puchberg
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