36 km | 2.510 Höhenmeter | 3 Tage | mittel
Überschreitungen macht man mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Solange was fährt. Gut, dass in der Steiermark die Postbusse die ländlichen Gebiete auch an Feiertagen und in der Ferienzeit unsicher machen. Und wer nicht mit der Masse gehen will, geht in die „umgekehrte“ Richtung. So geschehen am Hochschwab.
Tourdaten: Hochschwab-Überschreitung vom Grünen See zum Seebergsattel
Ausganspunkt: Bushaltestelle Tragöß Oberort-Ort, 8612 Tragöß
Endpunkt: Bushaltestelle Seeberg Passhöhe, 8636 Seewiesen
Länge: 36 Kilometer
Höhenmeter: 2.510 m im Aufstieg, rund 2.100 m im Abstieg
Dauer: 3 Tage
Schwierigkeit: Keine besonders schwierigen Wandersteige, ab und zu Trittsicherheit wirklich gefordert, aber keine ausgesetzten Stellen. Auch für Anfänger machbar, dennoch Schwierigkeit „mittel“, da doch eine Gebirgstour und Wetterumschwünge können am Hochschwab trügerisch sein.
Markierung: Durchgehend markierte Wanderwege, von der Sonnschienhütte zum Schiestlhaus zusätzlich Weitwandermarkierungen zu Nordalpenweg und Nord-Süd-Weg.
Literatur: Rother Hochschwab / Kral Verlag Hochschwab / ÖAV Sektion Weitwanderer Nordalpenweg / ÖAV Sektion Weitwanderer Nord-Süd-Weg
Karten: AV 18 Hochschwabgruppe / fb WK 041 / fb WK 5041
Einkehrmöglichkeiten: Gasthof zur Post Tragöß / Sonnschienhütte / Sackwiesenalm / Häuslalm / Schiestlhaus
Nächtigung: wie Einkehrmöglichkeiten.
Hunde: Wasser meist Mangelware, Kühe von Juni bis September auf der Sonnschienalm und Sackwiesenalm; Wildtiere (Murmeltiere, Steinböcke) im gesamten Hochschwab-Gebiet.
Öffentliche Anreise: Mit dem Bus 175 Vom Bahnhof Bruck an der Mur zur Endstation in Tragöß.
Öffentliche Abreise: Von der Seeberg Passhöhe mit dem Bus 172 Richtung Bahnhof Bruck an der Mur bzw. Mariazell.
Kurzbeschreibung
Tag 1 – 11,8 km – 890 Hm: Anreise mit der ÖBB nach Bruck/Mur, weiter mit dem Regionalbus 175 nach Tragöß Oberort. Zu Fuß vorbei am Grünen See und über die Russenstraße aufwärts zur Sonnschienhütte (1.523m, geschlafen im Matratzenlager, Hüttenschlafsack erforderlich, Preise normal).
Tag 2 – 11,2 km – 1.110 Hm: Von der Sonnschienhütte auf teils rutschigen Pfaden zum Sackwiesensee, im Auf und Ab auf teils breiteren Almwegen vorbei an der Sackwiesenalm zur Häuselalm (1.526m). Ab hier schmälerer Latschensteig, aber nicht besonders steil ansteigend durch die Hirschgrube auf die Hundsböden. Im leichten Auf und Ab vorbei an Hochwart und Zagelkogel zur Fleischer-Biwakschachtel (2.152m) und steiniger Aufschwung zum Hochschwab (2.277m). Kurzer Abstieg zum Schiestlhaus (2.153m, geschlafen im modernen Matratzenlager, Passivhaus, grundsätzlich etwas teurer, z.B. 5 Euro für 1/2L Bier, da die große Belieferung nur mit Hubschrauber möglich ist).
Tag 3 – 13 km – 510 Hm: Vom Schiestlhaus nicht über den Graf-Meran-Steig zur Voisthalerhütte, sondern weiter durch das mit Murmeltieren bewohnte Ochsenreichkar vorbei am Hutkogel über die Aflenzer Staritzen mit fabelhaften Ausblicken und Steinböcken ostwärts. Abstieg über die Seeleiten auf steilen Serpentinenwegen (nicht knieschonend) durch Hochwald zum Seebergsattel und zur Bushaltestelle. Von hier weiter mit dem Bus nach Mariazell und mit der Mariazellerbahn Himmelstreppe nach St. Pölten (ab Seebergsattel fährt auch wieder ein Bus nach Bruck/Mur bzw. Kapfenberg).
Tag 1: Tragöß Oberort – Grüner See – Sonnschienhütte
15. August 2017, Dienstag, Maria Himmelfahrt. Wir wissen es nicht, aber wir glauben es. Das blaue Wunder am Grünen See. Aber warten wir mal ab…
Mit dem Bus überwinden wir die Strecke Bruck/Mur – Tragöß. Auf der Asphaltstraße nähern wir uns dem Grünen See, während Autos an uns vorbeifahren, FußgängerInnen vor und hinter uns sind.
Ein Blick auf den Parkplatz genügt, dass ich die Bergwelt dahinter nun ganz, ganz intensiv herbeisehne. Die unbefestigte Fußweg-Autobahn zum Grünen See ignorieren wir gekonnt, biegen zum Kreuzteich ab, genießen ein paar Sekunden Stille und kommen erst danach zum Grünen See. 2014 als schönster Platz Österreichs in einer Fernsehsendung ausgezeichnet. 2014. Heute würde er wohl nicht mehr ausgewählt werden. Während fröhlich und munter Plastikflaschenstöpsel, Zigarettenstummel und Plastikfetzen im See herumschwimmen und die Enten aus den Händen fressen, suchen wir das Weite.
Noch vor der Jassingalm wenden wir uns dem rot markierten Weg 836 Richtung Sonnschienalm zu. Die Russenstraße – im ersten Weltkrieg von russischen Gefangenen angelegt – führt in mehreren Serpentinen auf die Hochfläche am Fuße des Ebensteins. Ein sehr einfacher Hatscher, es geht halt ständig und stetig bergauf. Die Serpentinen können auch auf teils markierten Steigen abgekürzt werden.
Wir sind nicht die einzigen Wandersleut auf der Sonnschienhütte. Nach und nach kommen immer mehr Weitwanderer anmarschiert, doch fast alle sind in Westrichtung unterwegs. Am nächsten Tag ruft uns aber der Osten zu sich. Ein Wiedersehen mit den Hüttenmenschen am nächsten Tag wird mal kategorisch ausgeschlossen.
Auf der Sonnenterrasse der Sonnschienhütte gibt’s Kaspressknödelsuppe (der gefühlt 15. Knödel in den letzten eineinhalb Wochen), der Bezug des Matratzenlagers wird terminisiert. Um 17:30 Uhr erfolgt die Anmeldung, dann darf man aufs Zimmer rauf. Die Speisenauswahl ist nicht besonders üppig, doch sehr schmackhaft und für alle Geschmacksrichtungen ist was dabei. Die Hüttenwirte Koarl und Hermi bewirtschaften seit Oktober 2014 die idyllisch gelegene Sonnschienhütte, auch im Winter bewirtschaften sie die Hütte aktiv. Nur an Montagen gönnen sie sich in den Wintermonaten eine Pause. So wie auch zur Zeit der Jagdsperre von Mitte September bis Mitte Oktober.
Während viel Hochschwabwasser in die Leitung nach Wien tropft, holt sich die Sonnschienhütte das Wasser über eine Tiefquelle und eine Wasserpumpe zu einem Hochbehälter und bereitet es in der Hütte auf. Daher kostet der Liter Wasser € 1,80. Am Abend gibt’s für mich aber sowieso nur Weizen.
Tag 2: Sonnschienhütte – Hochschwab – Schiestlhaus
Die Wolken hängen tief und kommen näher. Oder anders gesagt: Wir kommen den Wolken über den leicht zu gehenden und markierten Übergang zum Schiestlhaus näher. Der Nordalpenweg 01 und Nord-Süd-Weg 05 führt leicht hinab zum Sackwiesensee – beliebt für Badeaktionen, nur heute nicht – und vorbei an Sackwiesenalm und Häuslalm wieder leicht bergauf. Leicht restfett anmutende Musiker sind damit beschäftigt, Instrumente und Gerätschaften der Almfeier tags zuvor in ihre Autos zu laden. Weiter auf den schon genannten Weitwanderwegen und deren Anhängsel Vom Gletscher zum Wein sowie BergZeitReise verläuft der Weg nun stetig bergauf durch die Hirschgrube auf die Hundsböden. Erst auf den Hundsböden angekommen – immer wieder habe ich den Duft eines nassen Hundes in der Nase – verziehen sich die Wolken allmählich.
Der weitere Weg über den Rauchtalsattel wird nur kurz von einem felsigen Abschnitt unterbrochen, welcher sogar mit zwei Ketten versichert ist. Akute Absturzgefahrt besteht aber keine, auch wenn sich immer wieder Dolinen unweit des Weges befinden.
Vorbei am Fleischer-Biwak – hier kommt der Aufstiegsweg über das G’hackte hinzu – sind es nur mehr knapp über 100 Höhenmeter zum Gipfel des Hochschwabs mit 2.277 Metern.
Nach einem wohlverdienten Gipfelschnaps geht’s wieder abwärts zum nahegelegenen Schiestlhaus. Kurz nach 13 Uhr landen wir schon bei der Hütte und hier werden wir auch bleiben. Die restlichen Stunden verbringen wir damit die vielen Details in der Hütte zu begutachten, das Plumpsklo auszutesten, ein wenig Hippiefeeling aufzusaugen und Kaspressknödel 16 und 17 zu verschlingen. Die Belegschaft ist freundlich, das Essen und Getränke teuer. Hier werden die Dinge nämlich mit dem Hubschrauber raufgebracht, der Chefkoch freut sich über mitgebrachtes Gemüse und Obst für die Küche. Und wenn du einen Sack Kartoffel auf die Hütte schleppst, wird dir der Betrag gegenverrechnet und es gibt Erdäpfelgulasch am Abend. So easy is des.
Im Gegensatz zur Sonnschienhütte, hat man jedoch nie wirklich das Gefühl, dass man sich auf einer Berghütte befindet. Das 2005 neu gebaute Passivhaus verwandelt sich vor allem zu den Abendstunden in eine Lounge mit Kerzenschein und entsprechender Musik.
Ach ja, das Gewitter, welches am Nachmittag den Hochschwab belagert hatte, verschwand am frühen Abend und sorgte noch für einen grandiosen Sonnenuntergang.
Tag 3: Schiestlhaus – Aflenzer Staritzen – Seebergsattel
Was gibt es Schöneres, als aus dem Fenster zu blicken, zu sehen, dass alles unter 1000 Höhenmetern im Nebel liegt und zu wissen, dass man heute den Panoramaweg über die Aflenzer Staritzen geht. Eben. Nichts.
Die 15 Euro für das Frühstücksbuffet am Schiestlhaus sind das Geld wirklich wert (dafür ist das Wasser kostenlos). Selten so ein feines Hüttenfrühstück – wo wir wieder bei dem Thema „wenig klassisches Hüttenflair“ wären – erlebt. Über die Aflenzer Staritzen kann man mich heute rollen.
Die Anzahl derer, die heute den gleichen Weg wie wir einschlagen, ist äußerst gering. So genießen wir einen einsamen Übergang zur Wegkreuzung am Graf Meran Steig, ignorieren diesen gekonnt und folgen dem Weg 853 weiter hinab ins Ochsenreichkar.
Das Ochsenreichkar entpuppt sich als Murmeltierreichkar. Mehr sage ich gar nicht dazu, es ist fast unmöglich, hier kein Murmeltier zu sehen. Denen geht’s hier gut, selbst eine Quelle haben sie zur Verfügung. Auch wir holen sich frisches Wasser, ein paar Gehminuten beschildert und markiert vom Hauptweg entfernt.
Der Weg führt nordwärts am Westhang des Hutkogels bergauf auf einen steinigen Sattel, wo wir die nächsten wilden Tiere beobachten können. Ein Rudel Steinböcke hat sich hier versammelt, grast und liegt im Gras. Am weiteren Übergang vorbei an Severinkogel und zur Rotlacken sowie Abzweiger zur Hochweichsel treffen wir an die 50-60 Steinböcke. Zeit also für ein paar Einblicke in das Leben der Steinböcke am Hochschwab.
Was soll ich sagen. Ohne jetzt den Weg durch das Seetal zwischen Seewiesen und Voisthaler Hütte zu kennen, aber wer hier bei Schönwetter nicht oben geht, verpasst mit Sicherheit was. Über einen letzten Sattel geht es Richtung Staritzen Ostgipfel, ehe der Abstieg am Gipfel der Seeleiten hinab zum Seebergsattel führt. Und der Abstieg zählt nicht gerade zur Sorte „attraktiv“. Steil, serpentinenreich, geröllig, im schattigen Latschen- und Waldbereich rutschig, kniefreundlich ist was anderes. Zum Schluss wird’s dann etwas gemütlicher, in der Ferne ist die Straße am Seebergsattel erkennbar. Wenige Minuten später landet man direkt an der Bushaltestelle, dahinter thront das Weitwandererdenkmal der Europäischen Fernwanderwege E4 und E6 und erinnert an den Gründer der Alpenverein Sektion Weitwanderer Carl Hermann.
Die in Wanderkarten noch gerne eingezeichnete Gaststätte am Seebergsattel verköstigt niemanden mehr. Die Sternsinger waren letztmals 2014 hier. Mit diesem Abschluss verabschieden wir uns vom Hochschwab, nehmen den Bus nach Mariazell und die Himmelstreppe nach St. Pölten. Von dort wieder in die Heimat. Seitdem bin ich auf Kaspressknödel-Entzug. Es wird.
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