Welches Wort verbindest du mit Wien? Richtig: Oida!
Eigentlich ist es nur der Ausdruck für „Alter“, doch die Anwendungszwecke dieses wunderbar klingenden Wortes sind vielfältiger als eigentlich ursprünglich gedacht. Willst du wissen, wofür du „Oida“ verwenden kannst? Niemand beschreibt die Vielfalt von „Oida“ besser als Ewa.
Corona, OIDA!
Dem nicht genug hat die Stadt Wien zur Bekämpfung der Corona-Pandemie das Oida für sich reklamiert und – mit etwas Fantasie – den vier Anfangsbuchstaben eine Bedeutung verpasst.
- Obstond hoitn
- Immer d‘Händ‘ woschn
- Daham bleiben und
- A Masken aufsetzn
Zugegeben, auch mir entkam in den vergangen Monaten des Öfteren ein lautstarkes Oiiiiidaaaa, Oida?, Oidaaaaa! oder ein OidaOidaOida. Meist ausgelöst durch Wortmeldungen in Interviews von PolitikerInnen oder durch Nachrichten in sonstigen Medien. Langsam wird’s zach, oida! Was also tun, gegen die Zachheit?
Spazierengehen, das ist es. Gehen ist gesund, nicht für den Körper, auch für den Geist. Wenn dir die Nachrichtenflut also wieder mal zu Kopfe steigt und du eigentlich nur mehr schreien willst, dann geh doch raus. Ein bisserl Stadtluft schnappen und in Hundskacke steigen.
Ich habe es gemacht, ich war am Wochenende zu Fuß in Wien unterwegs, habe aber die Demos wie der Teufel das Weihwasser gemieden. Zumindest virtuell habe ich in einem großen OIDA-Schriftzug meine Spuren in Wien hinterlassen. Und obwohl ich viel nach oben blickte und die vielfältigen Fassaden dieser Stadt betrachtete, stieg ich in keine einzige Hundekacke. Es passieren doch noch Wunder in diesen Tagen.
Das „O“
Mit der Bim geht’s raus nach Ottakring, das „O“ will in den Stadtplan gezeichnet werden. Bis 1894 hieß dieser Platz noch Marktplatz, seit 1945 nun endgültig Johann-Nepomuk-Berger-Platz, benannt nach einem Politiker und Rechtsanwalt.
Kein Bierduft, kein Schokoduft, nur Abgase, ich bin am heutigen Tag enttäuscht von Ottakring. Ohne olfaktorische Erlebnisse bewundere ich die ziemlich frechen Tauben und Krähen und spaziere Kornspitz für Kornspitz die Ottakringer Straße stadtauswärts entlang.
Wer durch die Stadt spaziert, muss bewusst links, rechts und nach oben blicken. Ansonsten verfehlt ein Stadtspaziergang seine Wirkung. In kurzer Zeit sind so viele Eindrücke, Blickwinkel und Schmankerl zu erhaschen, die müssen irgendwie entdeckt und dann noch verarbeitet werden.
Reges Markttreiben herrscht am Bahnhofsplatz in Ottakring. Doch nicht nur Menschen wuseln herum, Autos stehen vor der Ampel, die U-Bahn fährt langsam darüber hinweg. Von nun an geht’s südwärts. Zuerst entlang der Paltaufgasse, dann der Kendlerstraße. Relativ eingekesselt fühl ich mich hier in diesem Bereich. Hohe Wände, Stacheldraht, Sportplätze, ein Umspannwerk. Sowieso ein verloren gegangenes Bier – und es ist gar kein Ottakringer.
An einer wunderbar anzusehenden Freizeitoase vorbei, geht’s direkt weiter zur Kirche St. Laurentius. Hier sticht vor allem der öffentliche Garten am Kirchenvorplatz ins Auge mit Holzbackofen und einem Pizzarezept. Von den angeprangerten Knofi-Dieben zu den Breitenseer Lichtspielen, einem der ältesten Kinos der Welt, ist es nur ein Katzensprung.
Etwas stressiger wird’s auf der Hütteldorfer Straße. Hotels haben zwar geschlossen, in den Geschäften herrscht an diesem Samstag Nachmittag aber reges Treiben. So freue ich mich bereits über den Wechsel in die Holochergasse, die mich nun wieder in etwas ruhigere Gefilde rund um die Schmelz führt.
Wie die Zukunft aussehen vermag, weiß nicht mal das geschlossene Schutzhaus vorherzusagen. Zwischen „Heaven and Hell“ sind die Distanzen seit einem Jahr relativ kurz, vor allem für jene, die direkt von Schließungen oder Einschränkungen betroffen sind. Kurze Rast lege ich bei einem Kaugummi-Automaten ein, sogar mit Sitzbereich. Den Intensivkurs am Buchstaben „O“ beende ich wieder am Nepomuk-Berger-Platz und mache mich auf zum „I“.
Das „I“
„I“ wie „I war scho ewig nimma am Gürtel fort“. Wer weiß außerdem, wie lange diese Durststrecke im wahrsten Sinn des Wortes noch anhält. Das „I“ ist für eine Streckenwanderung jedenfalls ein sehr dankbarer Buchstabe, der Gürtel von der Josefstädter Straße zum Westbahnhof dafür die ideale halbwegs gerade Strecke.
An der U-Bahn-Station Josefstädter Straße beginnt das Spazieren entlang der Gürtellinie. Lokale wie das Weberknecht haben sich schon vor einiger Zeit aufgegeben, das sieht man ihm auch an. Hach, dieser ranzige Keller wird mir fehlen. Anders das Chelsea. Das fehlt mir im Grunde auch, aber das hat sich zumindest noch nicht aufgegeben. Und irgendwann werden wir unter den Bahnbögen wieder mal so richtig abgehen! Doch zuvor geht’s den Gürtel entlang weiter. Manche Lokale stehen wohl seit Monaten in den Startlöchern.
Das Rauschen der Gürtelstraße wird nur selten von der U6 unterbrochen. Architektonische Leckerbissen darf man sich hier nicht erwarten, dafür einige Nachtclubs mit Rotlichtbezug. Jedenfalls besteht auch hier ein klassisches Landstraßenproblem: Müll am Straßenrand. Eine kurze Verschnaufpause gönne ich mir am Urban-Loritz-Platz, beobachte die an- und abfahrenden Straßenbahnen und einige Tauben dabei, wie sie sich langsam an die Überreste eines Käsekrainer-Hotdogs hermachen.
Langsam wird’s etwas grüner. Wobei die Spielutensilien am Emil-Maurer-Platz blau machen. Das Hesser-Denkmal am Ende des Parks erinnert an ein Gefecht der Schlacht bei Aspern im Jahr 1809. Ein ziemlich großes Denkmal für ein einzelnes Gefecht, möchte ich meinen.
Denkmalcharakter hat meines Erachtens auch der Westbahnhof. Viele Jahre lang, bevor der Hauptbahnhof Wien eröffnet wurde, war der Westbahnhof mein Trichter für die Reise nach Oberösterreich. Nun kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt einen Fuß in das Gebäude gesetzt habe. Zumindest wirkt für mich im heutigen Zustand der Westbahnhof doch schon etwas in die Jahre gekommen, um es höflich zu formulieren.
Das „I“ endet am Ohrfandlpark. Noch nie gehört? Kannte ich bis heute auch nicht. So heißt jedenfalls die Grünfläche, um welcher einige Straßenbahnen ihre Kreise ziehen.
Das „D“
Mit einem „D“ wie „Do wor i scho long nimma drinnen“ starte ich an der Ecke Amerlingstraße/Gumpendorfer Straße. Ein Zubau beim Haus des Meeres hat vor nicht allzu langer Zeit das Textkunstwerk „Zerschmettert in Stücke. Im Frieden der Nacht.“ verdeckt. Der Flakturm in Mariahilf ist auch ein Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, „Erinnern im Innern“ heißt es nun auf der Fassade.
Die Windmühlgasse bringt mich rauf zur Mariahilfer Straße, die an diesem ersten winterlichen Frühlingstag wie ausgestorben wirkt.
Das Museumsquartier lasse ich links liegen und überquere den Platz der Menschenrechte in die Babenbergerstraße. Das Kunsthistorische Museum zeigt mir seine Rückseite, die, ehrlich gesagt, nur wenig zu Entzücken vermag. Ich könnte so viel über diesen Spaziergang schreiben: Historisches, Sehenswertes, Besonderheiten. Aber alles wurde bereits in unzähligen Büchern und Berichten zigfach durchgekaut und wieder ausgespuckt. Mein Auge liegt auf kleinen Dingen am Wegesrand, oder auf den am Boden liegenden.
Angekommen am Burgring biege ich auf den Heldenplatz ab und quere die weitläufige Fläche zum Volksgarten. Die Rosen befinden sich noch im Winterschlaf, eine ist aber gewiss Herbert gewidmet. Das befürwortet auch der Heroismus am Burgtheater, denn der Egoismus wäre Herbert wohl keine Rose vergönnt.
Ich quere den Ring und betrete den menschenleeren Rathausplatz. Das Eislaufen ist vorbei, weitere Events werden wohl auch heuer die Ausnahme bleiben. Zumindest weist mich die Stadt Wien auf die OIDA-Regeln hin.
Rechts am Rathaus vorbei über die Felderstraße zur Landesgerichtsstraße. Hier wird gebaut, oberhalb und im Untergrund. Denn die U2 und U5 werden sich hier in einigen Jahren kreuzen, gehlebt.at berichtete darüber und spazierte schon entlang der zukünftigen U-Bahn-Linie. Die Florianigasse führt mich nun in die Josefstadt, dem Wiener Bezirk mit dem wenigsten Grünanteil (nicht politisch). Das fällt sogar im Winter auf.
Auf der Lederergasse dann an der Rückseite der Piaristenkirche vorbei, weiter in die Strozzigasse zum Wiener Würstelstand mit grandioser Veganer Bosna. Wenn das ein gebürtiger Oberösterreicher sagt, wird’s wohl stimmen.
Es geht volley über in die neu gestaltete Neubaugasse, neuerdings verkehrsberuhigt mit einem 13A, der in beide Richtungen verkehrt. Klingt komisch, aber irgendwie funktioniert’s.
Relativ unspannend ist’s dann runter zur Gumpendorfer Straße und somit zum Ende von „D“. Der Weg zum „A“ führt nun über die Magdalenenstraße und Kettenbrückengasse zur Paulaner Kirche an der Wiedner Hauptstraße.
Das „A“
„A“ wie „Alles schon gesehen“. Einige Jahre lebte und werkte ich nahe der Wiedner Hauptstraße, unzählige Male spazierte ich diese also entlang und auch an der Paulanerkirche vorbei, dem Startpunkt von „A“.
Vom Irene-Harand-Platz geht’s die Wiedner Hauptstraße entlang in Richtung Innenstadt. Oft bin ich hier spätnachts in der Gegenrichtung spaziert, wenn die Abende wochentags in der Innenstadt wieder mal etwas länger geworden sind. Anscheinend geht mir das ziemlich ab, auch beim „I“ lamentierte ich bereits herum. Hach, weiter im Programm.
18 Meter ist sie hoch, die Eule am Bibliotheksgebäude der TU. Eulen stehen ja für Weisheit und Gelehrsamkeit. Die Eule wacht mit ihren 16 kleinen Kindern darüber. Gegenüber der Resselpark und die Karlskirche, etwas einsam.
Ich überquere die Opernkreuzung am Kärntner Ring und spaziere nun eine der meist überschätzten Straßen Wiens entlang. Was gibt es auf der Kärntner Straße eigentlich zu sehen außer Geschäfte? Sorry, aber das ist einfach hässlich. Jede Nebengasse überall ist spannender anzusehen. Meine Augen wandern über die Fassaden der Häuser hoch, nur selten erblicke ich wirklich etwas Besonderes und nein, es ist kein Peek & Cloppenburg oder Apple-Store.
Vom Stock-im-Eisen-Platz ist es nur ein Steinwurf zum Stephansplatz, aber kennst du eigentlich den Goldenen Becher? Dieser zeigt sich in einer Hausfassade und erinnert an den Bäckerburschen Johann Hayn, der bei der Fronleichnamsprozession am 27. Juni 1549 dem Priester die Monstranz entrissen und zu Boden geworfen hatte. Historisch also sehr genau überliefert, denn der Schock saß tief. Der Bursche überlebte seinen „Streich“ nicht lange, er wurde am Richtplatz verbrannt. Wilde Zeiten waren das damals. Der Becher erinnert im weiteren Sinne also nicht an den verstorbenen Burschen, sondern an das am Boden liegende liturgische Schaugerät. Die Prioritäten waren also klar definiert.
Die Rotenturmstraße führt mich direkt zum Schwedenplatz. An der Spitze meines „A“ halte ich mich aber nicht lange auf und spaziere den Hafnersteig und die Griechengasse zum Fleischmarkt hoch.
Postgasse und Predigergasse führen mich zum Stubentor. Das wird in diesem Bereich etwas ein hakeliges „A“, aber die Richtung stimmt. Davon lasse ich mich nicht verunsichern, genauso wenig wie sich die schlafenden Enten am Stubentor stören lassen. Sie haben sich jedenfalls einen interessanten Schlafplatz ausgesucht, unweit des Stadtparks. Die Kleine Ungarbrücke bringt mich in den 3. Bezirk, der auch noch ein wenig am Stadtpark mitnascht.
An der Großen Ungarbrücke halte ich mich rechts und spaziere nun die Rechte Bahngasse zum Rennweg hoch. Bei der russischen Botschaft solltest du nicht aufdringlich ins Gelände reinfotografieren, ansonsten stehen Vladimir und Igor gleich mal hinter dir und ziehen dir die Ohren lang. Im Idealfall.
Der Rennweg symbolisiert das andere Endes vom „A“, schnell renn ich also wieder weg und zwar erstmals wieder auf gleicher Wegstrecke retour. Denn in meinen Augen ist es unmöglich, ein „A“ als Strecke durchzuziehen, ohne zumindest einmal zweigleisig zu fahren.
Bei der Beatrixbrücke biege ich nun links in die Beatrixgasse ab, um den Steg vom „A“ zu komplementieren.
Wiederum lande ich am Rande des Stadtparks, gegenüber streckt sich das Hotel Intercontinental in die Höhe. Ehrlich gesagt: Ein hässliches Trumm. Aber sei’s wie’s sei.
Ludwig van Beethoven blickt seit dem Jahr 1901 Tag für Tag auf die Außenwand des Wiener Eislaufvereins, am Rande zeigt sich das Konzerthaus. In diesem Jahr wurde das Denkmal nämlich um 180 Grad gedreht, damit der Ludwig auf die etwas schönere Lothringerstraße blickt (danke an die Reisebloggerin für diesen Hinweis). Im angrenzenden Akademischen Gymnasium haben einige helle Köpfe fürs Leben gelernt, Erwin Schrödinger beispielsweise ging hier zur Schule. Oder auch nicht, hat da mal jemand nachgesehen?
Karl von Schwarzenberg weist mir den Weg am Kärntner Ring entlang zur Opernkreuzung. Hier endet das „A“ und somit auch das OIDA, welches ich zu Fuß in den Wiener Stadtplan eingebrannt habe. So ein langes „Oida“ kam mir selbst noch nicht über die Lippen. Aber warten wir mal ab, was noch alles auf uns zukommt, oida!
Ein Kommentar
Haha, das ist genial :-D