Ein gewisser monarchistischer Hauch weht in Österreich, das ist unbestreitbar. Manche lehnen die Republik ab und sehnen sich wieder nach einer dynastischen Herrschafft, und dies ist nicht nur dem touristischen Kult um Franz und Sisi geschuldet. Die Adelsverehrung kennt in Österreich fast keine Grenzen und es muss nicht einmal ein direkter Kontakt dazu bestehen. Im Salzburger Kuchl reicht zum Beispiel eine Baumpflanzung: „Kaiserlinde gepflanzt 1879, anläßlich der Silberhochzeit Kaiser Franz Josef“. (Anmerkung: Die fand natürlich nicht in Kuchl statt.)
Ganz so schräg ist die Erinnerung an frühere Adelsgeschlechter im niederösterreichischen Thernberg in der Buckligen Welt nicht mehr, aber doch spür- und erkennbar. Erzherzog Johann von Österreich war von 1807 bis 1828 Besitzer des Schlosses Thernberg und galt als Vorreiter der ökologischen Nachhaltigkeit. Auf seinem Besitz legte er Obstgärten an und gab sich landwirtschaftlichen Versuchen hin, welche als Grundlage für das Grazer Joanneum dienten.
Neben einer Büste am Erzherzog-Johann-Platz wird im Thernberger Mesnerhaus an den Erzherzog gedacht, 2009 wurde die Dokumentation neu überarbeitet. Vom 17. Mai bis 26. Oktober 2015 bietet ebendort die Austellung „Volksverbunden – Zukunftsweisend“ Einblick in das Leben und Wirken von Erzherzog Johann und ist an Sonn- und Feiertagen von 13:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Somit erscheint es nicht unpassend, dass ein eigener Wanderweg durch die Region führt: der Erzherzog Johann-Rundwanderweg.
Der Erzherzog Johann-Rundwanderweg ist auf der Webseite der Gemeinde und auf Tourenportalen wie outdooractive und bergfex beschrieben, doch muss ich kundtun, dass die Wegbeschreibung und die Kartenanzeige auf allen drei Webseiten vom „realen“ Weg abweicht. Ich orientierte mich an der Beschilderung des Rundwanderweges vor Ort. Auf dieser Seite findest du also den „wirklichen“ Weg, ohne wenn und aber.
Startpunkt ist der Bahnhof in der Ortschaft Scheiblingkirchen, an der B54 und an der Aspbangbahn gelegen. Mit dem Auto und mit dem Zug also gut erreichbar. Die erste Beschilderung führt uns nach Westen, über Gleise und die spätere B54.
Anfänglich wandern wir noch auf Asphaltwegen, wechseln dann aber auf gemütliche Schotterwege. Meist mit einer wunderbaren Aussicht auf den Türkensturz, welcher noch auf unserer to-do-Liste steht. Man erreicht die kleine Ansiedlungs Witzelsberg und folgt den Wegweisern zum Rehgartlkreuz.
Das Rehgartlkreuz ist ein beliebtes Wanderziel in der Region zwischen Scheiblingkirchen und Wartmannstetten. Umso mehr verwunderlich, dass die Namensbezeichnung am Wegweiser noch nicht ausgebessert wurde. In 300 Jahren wird das Kreuz wohl als Ureuz bezeichnet werden…der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier.
Unser nächster Halt: Waldkapelle. Hier treffen wir das erste Mal auf eine andere Wegführung als in den Tourenportalen. Klar, ich komme auch zur Waldkapelle, indem ich einen Abzweiger vorher in Angriff nehme. Doch der Rundwanderweg zeigt an der Wegkreuzung mit der blauen Markierung noch geradeaus, da ist nichts zu machen. Erst kurz danach wenden wir uns nach rechts und erreichen nach einem kurzen bergab führenden Waldsteig die Waldkapelle.
Eigentlich will ich hier eine Rast einlegen, doch ein Gemeindebediensteter legt gerade Hand an die desolate Sitzbank und ist damit beschäftigt, eine Holzlatte auszutauschen. Da dies nach einer Tagesbeschäftigung aussieht, gehen wir ohne Pause weiter.
Eine Forststraße führt uns hinab nach Gleißenfeld, jedenfalls sagt uns das ein Wegweiser. Nicht gesagt hat er jedoch, dass wir einen Hatscher entlang der B54 in Kauf nehmen müssen um nach Gleißenfeld zu kommen. Also entweder direkt am Bankett gehen oder nach wenigen Metern an der B54 rechts über die Böschung rauf auf einen Asphaltweg, der im Nichts begonnen hat…oder im Nichts endet, wie man’s nimmt. Ach ja, ein Wegweiser hat mich auf die B54 geschickt, hab’s nicht freiwillig gemacht.
In Gleißenfeld überqueren wir Gleise und wundern uns über den gleißenden Sonnenschein, welcher unser Haupt bestrahlt und, ich kann’s schon verraten, für den ersten Sonnenbrand 2015 sorgte. Ja, Sonnencreme blieb zuhause, Mitte April und so.
Der Ortsteil Gleißenfeld wird durchquert und der beschilderte Weg führt uns Richtung Sollgraben in den Naturpark Türkensturz. Am Ortsende von Gleißenfeld wenden wir uns von der Straße nach links und starten mit dem Aufstieg zum Türkensturz. Pirie hat davor noch im angrenzenden Rinnsal neue Schuhe angezogen.
Steil geht’s anfänglich noch durch dichten Mischwald, doch bald führt uns der Steig am Waldrand entlang und Meter für Meter werden weitere Ausblicke freigegeben.
Die Ruine ist bald ersichtlich und fasziniert in jeglicher Hinsicht. Die „künstliche“ Ruine, erbaut 1824, ist benannt nach dem angrenzenden Abgrund, dessen Name wohl aus der ersten Türkenbelagerung herrührt. Eine Legende besagt, dass ein Mädchen eine türkische Reiterschar zum Abgrund lockte und diese dann von den Felsen hinab stürzten. Wir jedoch genießen die Ruhe am Türkensturz und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen.
Wen es in die Vertikale zieht, kann sich am Klettersteig Türkensturz probieren. Doch einfach ist dieser nicht, der Schwierigkeitsgrad D ist passend – spreche hier aus eigener Erfahrung.
Weiter geht’s. Ein Wegweiser führt uns zu einer Unterstandshütte, nach welcher wir rechts der guten Beschilderung durch den Wald folgen und bald in Sollgraben landen. Die urige Ansiedlung wird schnell durchquert und weitere, zum Glück schattige Waldwege führen uns zur Asphaltstraße in Weingart. Wir spüren Asphalt unter den Füßen, wenden uns an der Hauptkreuzung in Weingart an der kleinen Kapelle nach links in die Sackgasse und wandern nun auf selber Wegstrecke einer Variante des Nordalpenweges Richtung Stanghof. Hier weicht die Strecke des Rundwanderweges gänzlich von den anderen Beschreibungen ab.
Die Ansiedlung Stanghof erreichen wir jedoch gar nicht, da uns ein Wegweiser kurz davor auf einen Güterweg zu unserer Rechten lotst. Dieser führt an urigen Bauernhäusern vorbei nach Neustift zur Hauptstraße. Nun folgt leider der unschönste Abschnitt des Rundwanderweges: ein Marsch an der schmalen Straße mit kaum Ausweichmöglichkeiten. Ein Aufatmer kommt in mir hoch, als wir die Gehsteige von Thernberg erreichen.
Das Gasthaus „Thaler“, direkt im Zentrum gelegen, hat heute Ruhetag. Wie könnte es anders sein. Leute, geht nie mit mir wandern, ihr werdet ohne Lunchpaket am Weg kläglich verhungern, ich bin der König der Gasthaus- und Hüttenruhetage.
Romanische Kirche „Unbefleckte Empfängnis Mariae“ in Thernberg – schon seit mindestens 865 n. Chr.
Die Marktgemeinde Thernberg ist das eigentliche Zentrum des Erzherzog Johann-Rundwanderweges. Das Mesnerhaus beherbergt die Dokumentation des Aufenthalts des Erzherzogs und wird heuer in einer Ausstellung begutachtet werden können.
Vom Erzherzog-Johann-Platz wandern wir in die Wiesengasse und diese führt uns auf den Kunst-Leit’n Parcours. Ausgestattet mit ungewöhnlichen Sitzbänken und einigen Kunstobjekten führt uns der Pfad nach Innerschildgraben zum Gasthaus Zöhrer, hat sogar offen, und zu „Kunst Leit’n Walli„.
Von Innerschildgraben nach Scheiblingkirchen führt ein gut markierter, einfacher Waldwanderweg. Hier wächst saumäßig viel Bärlauch (merke für den nächsten Frühling) und ich darf richtige Waldbewirtschaftung bestauen. Jo, eh.
Die Zivilisation hat uns wieder und führt uns dank dem Promenadenweg in das kulturelle Zentrum von Scheiblingkirchen.
Und so endet auch die Wanderung am Erzherzog Johann-Rundwanderweg. Eine gemütliche Rundtour, mit wenig Informationen zum Erzherzog selbst, aber einer abwechslungsreichen Natur- und Kulturlandschaft. Das Wandervergnügen trübt der Ashalthatscher zwischen Weingart und Thernberg, doch das ist am Leit’n-Weg schnell wieder vergessen. Eine Rundwanderung, die ich getrost weiterempfehlen kann.
Weitere Informationen
Länge: 21,3km
Höhenmeter: 700m
Start- und Endpunkt: Bahnhof Scheiblingkirchen
Öffis: mit der Bahn von Wiener Neustadt nach Scheiblingkirchen (Aspangbahn)
Parkplatz: direkt am Bahnhof einige Parkmöglichkeiten
Einkehrmöglichkeiten: Gasthof Thaler/Thernberg, Gasthof Zöhrer/Innerschildgraben, Karlwirt/Scheiblingkirchen
Karte: fb WK 023, BEV ÖK50 5207
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