> zur Etappe davor: Gargellen – Lindauer Hütte
Gleich nach dem Aufwachen im Lager in der Lindauer Hütte wird mir klar, dass es für meine Nerven eine gute Entscheidung war, noch in der Dunkelheit zur Hütte abzusteigen. Ich hätte nun wirklich keine Lust gehabt, mich mit einem klitschnassen Zelt und sonstigen feuchten Utensilien auf den Weiterweg zu machen.
Die Frühstückszeit in der Hütte hat begonnen und ich bin mittendrin. Nach einem kurzen Gespräch mit Hüttenwirt Michael, weiß ich nun aus erster Hand bestens über das bevorstehende Wetter Bescheid. Am Vormittag schönes Bergwetter, ab Nachmittag Nebel und Regen. Zeit, sich auf die Socken zu machen.
Etappeninfos Lindauer Hütte – Totalphütte
Unterwegs gewesen am Mittwoch, 29.07.2015
Einkehrmöglichkeiten: Lünerseealpe, Douglass Hütte, Totalphütte
Nächtigungspreise: Totalphütte: 24 € als AV-Mitglied im Lager mit Halbpension
Entfernung: 10 Kilometer
Höhenmeter auf/ab: +1.200/ -550m
Zeitangaben real mit Pausen: Lindauer Hütte – Öfapass (2 Stunden) – Schweizer Tor (20 Minuten) – Verajöchli (40 Minuten) – Lünerseealpe (50 Minuten) – Totalphütte (1h40min)
Markierung: fast keine Zentralalpenweg-Schilder, teilweise Sticker auf Stangen, lokale Markierungen zu den nächsten Etappenzielen beachten
Wanderkarten: ÖK 50 1230, fb WK 374 1:50.000
Wanderführer: ÖAV Sektion Weitwanderer Zentralalpenweg Band III
Wegcharakter: keine besonderen Schwierigkeiten, fast kein Handeinsatz, steiniger Pfad in vielen Serpentinen zur Totalphütte
Übersichtskarte
Zentralalpenweg 02: Lindauer Hütte – Totalphütte
Der Weiterweg ist nicht wirklich schwer zu finden, es geht rauf zum Öfapass. Begleitet werde ich von den imposanten Drei Türmen und dem Drüsenfluh. Fluh, auch bekannt vom am Vortrag gesehenen Sulzfluh, leitet sich aus der althochdeutschen Sprache ab und bedeutet nichts anderes als Fels bzw. Felsgipfel. Eine Bezeichnung, die vor allem in Schweiz, Tirol und Vorarlberg ihre Verbreitung findet.
Das größte Hindernis des heutigen Tages, stellt eine Kuhherde am Ende der Oberen Sporaalpe dar. Einige Kühe stehen quer zur Schotterstraße und versperren den Zugang zum Weiterweg am Öfapass, ich muss mir also, wie in einem Labyrinth, den Weg zwischen den Kühen suchen. Einer Kuh ist das offensichtlich nicht recht und ich spüre ihren warmen Atem, als sie mir nur 10 Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, in selbiges ein lautes MUUUUUHHHH loslässt.
Am Öfapass angekommen, sauge ich das geniale Vormittagswetter in mich auf. Jeder mögliche Sonnenstrahl wird absorbiert, ich ahne wohl schon, was mich noch heute und morgen erwarten wird. ;)
Vom Öfapass blicken wir schon hinab zum Schweizer Tor und auch zum wieder höher liegenden Verajöchli.
Nach der Begehung des Verajöchlis habe ich den höchsten Übergang des heutigen Tages geschafft, höher geht’s dann nur mehr rauf zur Totalpütte. Auf sehr gemächlichen Wanderwegen gehe ich bergab in Richtung Lünersee, welcher sich bald nach dem Verajöchli in mein Blickfeld drängt. An der Südseite des Lünersees befindet mit der Lünerseealpe eine gemütliche Einkehrmöglichkeit, an welcher hauseigene Schmankerl verkostet werden können. Und nicht nur ich stehe auf das angebotene Käsebrot, eine freche Ziege hat es auch auf mein Mittagessen abgesehen. Als sie jedoch probiert, mit den Vorderbeinen die Bank zu erklimmen, kommen meine bislang nicht entdeckten Hirte-Fähigkeiten zu Tage und ich trage gekonnt die Ziege von der Bank weg. Als Protest pinkelt sie mir vor meine Füße. Muss man nicht persönlich nehmen.
Während ich bis hierher kaum andere Wandersleut getroffen habe, fühle ich mich am Lünersee fast überrannt. „Schuld“ daran ist eine Seilbahn zur auf der Nordseite gelegenen Douglas Hütte – und der Rundweg am Lünersee macht übriges. Dass hier vermehrt Menschen unterwegs sind, ist vor allem am übermäßigen Auftreten von Tschick-Stummeln bemerkbar. Wie ein Eichhörnchen vorm Winter sich mit Nüssen eindeckt, sammle ich jeden Zigarettenstummel ein – nur brauche ich diese nicht, um über den Winter zu kommen. Nach wenigen Metern ist meine Sammlung schon auf fast zehn Stummel gestiegen. Es sollten noch viele hinzukommen. Leute, das gibt’s ja nicht! Schmeißt eure Tschick nicht einfach so in die Bergwelt, ja, schmeißt sie nirgendwo in die Natur! Ausdämpfen, einstecken, mitnehmen, in einen Müllbehälter werfen! Was ist so schwer daran?
Eigentlich hätte ich noch gerne einen Abstecher zur Douglas Hütte unternommen. Da aber von dort immer mehr Menschen in meine Richtung strömen, lasse ich das gerne bleiben und starte gleich mit dem Aufstieg zur Totalphütte.
Nur ganz selten benutze ich eine Hand zum Weiterkommen, müsste aber nicht notwendig sein. Ansonsten ist der Aufstieg zur Totalphütte zwar steinig, aber technisch nicht schwierig. Im oberen Drittel des Steiges, es ist ca. 13:30 Uhr, bewahrheiten sich nun die Worte des Hüttenwirts der Lindauer Hütte. Nebel ist eingezogen, es hat zu regnen begonnen. Kurz nachdem ich die Hütte erreicht habe, beginnt es zu schütten. Tja, perfektes Timing könnte man meinen.
Ich hatte mir auf der Karte einen wohl guten Zeltplatz, eine halbe Stunde oberhalb der Totalphütte, ausfindig gemacht. Das Wetter bewegt mich aber wiederum dazu, den Tag und die Nacht auf der Hütte zu verbringen – ich hab ja auch was zu Lesen dabei. Nur kurz reißt am Abend der Himmel auf.
Ich erblicke die steile Schneerinne am Weg zur Schesaplana und erkenne Steigspuren. Geht hier echt der Aufstieg rauf? Sieht ja irre steil aus. Wieder bei der Hütte frage ich einen Mitarbeiter, ob denn der Aufstiegsweg wirklich durch die Rinne führt. Er meint ja, sei zwar steil und etwas zach, aber machbar. Im Nachhinein betrachtet: Entweder ich habe ihm meine Sichtweise falsch erklärt oder er hatte keine Ahnung. Denn die Schneerinne bleibt unberührt.
Mein Proviant schrumpft dank meinem Hunger immer mehr, doch das Abendessen in der Totalphütte lasse ich mir dann doch nicht entgehen: Backerbsensuppe, Käsespätzle und Topfen-Lasagne. Dabei komme ich mir jedoch richtig schäbig vor, bin ich doch der einzige Hüttengast, der nicht mit Wanderführer und Karte am Tisch sitzt und pseudomäßig den morgigen Tag plant.
Mir ist es wurscht. In meinem zugewiesenen Sieben-Betten-Lager bin ich der einzige Nächtigungsgast. Zwar wären weitere Plätze reserviert gewesen, doch haben diese Wandersleut wohl dem schlechten Wetter den Vorzug gelassen. Ich schlafe jedenfalls wie ein kleiner Gott.
3 Kommentare
Sitz grad in Schruns, morgen geht’s in den Rätikon. Zieh mir als Abendlektüre deine Erlebnisberichte rein. Hoffentlich hab ich mehr Wetterglück als du ;)
Ich hoffe auch, dass du mehr Wetterglück hast. :) Viel Spaß und grüß mir meine geliebten Gsiberger!
Furchtbar, dass Menschen die Natur, die sie selber immer so „schön und friedlich“ nennen, so verschmutzen können. Ich werde es auch nie verstehen wie es so schwer sein kann seinen Müll wieder mit zu nehmen.
So sind die Menschen – leider.
LG
Mel